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Willkommen in der Ausstellung "Tolerant statt ignorant"eine virtuelle Ausstellung für Demokratie und gegen Antisemitismus
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Über den Raum
Antisemitismus war in Deutschland nie verschwunden
Noch immer stellt Antisemitismus eine Bedrohung für unsere Gesellschaft dar. Antisemitismus unterscheidet sich von anderen Formen der Diskriminierung dadurch, dass er mehr als Vorurteile und Stereotype, sondern eine grundlegende Haltung zur Welt und eine bestimmte Weltanschauung darstellt. Antisemitismus richtet sich gegen Personen und Gruppen, die als „jüdisch“ wahrgenommen und denen zumeist negative Eigenschaften zugeschrieben werden, gegen religiöse Einrichtungen und jüdische Gemeinden. Er äußert sich in Hass, Anfeindungen, Benachteiligung, aber auch direkter Gewalt.
Antisemitische Stereotype und Feindbilder sind langlebig und werden wieder und wieder recycelt. Über Jahrhunderte haben sich Judenfeindschaft und die Beweggründe dahinter stets gewandelt. In der Antike und im Mittelalter wurde die Judenfeindschaft noch religiös begründet (mehr dazu hier). Es entstanden allerlei Legenden und Mythen mit dem Ziel, das Judentum vom Christentum abzugrenzen. Juden hätten etwa angeblich die Brunnen vergiftet und damit die Pest verursacht. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich der moderne Antisemitismus und eine neue Legende entstand: die „jüdische Weltverschwörung“, die nach der Herrschaft und Unterdrückung der Nichtjuden streben würde (mehr dazu hier). Bis heute spielt die Behauptung, Jüdinnen und Juden hätten eine angebliche Übermacht in der Politik und Wirtschaft, eine zentrale Rolle in einer antisemitischen Weltanschauung. Eine weitere Form der Judenfeindschaft, der Antizionismus, richtet sich gegen die Existenz des jüdischen Staates. Antizionismus richtet sich nicht gegen Jüdinnen und Juden als einzelne Personen, sondern gegen den Staat Israel. Das erlaubt seinen Anhängern, Antisemitismus weit von sich zu weisen.
Antisemitismus äußert sich im Alltag auf vielfältige Weise. Seien es Drohungen und Hasskommentare im Internet, die Verbreitung von antisemitischen Bildern in Musik und Medien oder tatsächliche Gewalt. Antisemitismus ist keine auschließlich rechte Randerscheinung. In der breiten Gesellschaft trifft man auf antisemitische Einstellungen und Aussagen, etwa in Form angeblicher Kritik an Israel oder der Verharmlosung des Holocaust. Welche Erfahrungen machen Jüdinnen und Juden in Deutschland? Welche Bedeutung spielt Antisemitismus in ihrem eigenen Alltag?
Antisemitische Vorfälle der letzten Jahre
Antisemitische Vorfälle der letzten Jahre
In der jährlichen Polizeistatistik werden viele gegen hier beheimatete Juden und jüdische Einrichtungen gerichtete Straftaten als „politisch motiviert“ oder als „Protest gegen die Politik Israels“ erfasst. In den letzten Jahren nehmen verbale Angriffe auf Jüdinnen und Juden wie Drohmails, Sachbeschädigung und Angriffe auf offener Straße zu. Die Anzahl der gemeldeten Vorfälle steigt – viele werden aber nicht angezeigt. Die Gründe sind vielfältig. Nach einer Studie der EU zu „Diskriminierung und Hasskriminalität gegenüber Jüdinnen und Juden“ (2019) gaben 39 Prozent der Befragten an, in den letzten fünf Jahren Opfer von antisemitischer Belästigung gewesen zu sein. Die Mehrheit, fast 80 Prozent, meldete die Vorfälle nicht bei der Polizei. Nahezu die Hälfte meldete die Vorfälle nicht, da sie das Gefühl hatte, dass sich dadurch nichts ändern würde, oder sie den jeweiligen Vorfall für nicht ausreichend schwerwiegend sah. Antisemitismus ist allgegenwärtig, etwa in Raptexten, die den Holocaust verharmlosen, Beleidigungen sowie Bedrohungen im Alltag oder auch dann, wenn auf Demonstrationen antisemitische Parolen gerufen werden.
Wie antisemitisch ist Deutschland?
Denkanstoß: Die Mehrheit der Befragten stimmen der Aussage zu, dass Juden genau so seien wie alle anderen. Doch zeitgleich bejahen bis zu 40 Prozent der Befragten antisemitische Aussagen, Vorurteile und Stereotype. Wie passt das zusammen und wie kann es zu diesen widersprüchlichen Ergebnissen kommen?
Terroranschlag in Halle
Der Anschlag erschütterte die gesamte Gesellschaft und rückte die Bedrohung von Antisemitismus erneut in den Fokus der Öffentlichkeit. Wie nahmen Jüdinnen und Juden den Anschlag und die darauffolgende Aufmerksamkeit wahr?
Das Wichtigste ist, dass wir keine Angst habenAvital, 23 Jahre, ist Vorstandsmitglied der Jüdischen Studierendenunion Deutschland und sagt über den Anschlag in Halle:
Ich bin damit aufgewachsen, dass jüdische Institutionen selbstverständlich bewacht werden, dass vor jeder jüdischen Institution, ob Kindergarten oder Synagoge, Sicherheitspersonal steht. […] Das Wichtigste ist, dass wir keine Angst haben. Angst macht fahrlässig, aber wir müssen achtsam sein. Ich will mich nicht wegekeln lassen aus meinem Heimatland. Gleichzeitig kann ich verstehen, wenn jüdische Menschen sich unsicher fühlen und enttäuscht sind. Für mich ist Wegziehen keine Lösung. Auch wenn an einem Tag wie heute die Rede nur von dieser Tat ist, bewegt uns mehr als Antisemitismus.“
„Junge Jüdinnen nach Anschlag in Halle: ‚Ich will mich nicht wegekeln lassen aus meinem Land‘“, Artikel vom 10. Oktober 2019 von ze.tt
Über den Raum
Geschichte des jüdischen Lebens in Hessen
Bis zur bürgerlichen Gleichstellung lebten Jüdinnen und Juden in den Städten in geschlossenen Siedlungen. In Frankfurt wurde zum Beispiel 1462 die Judengasse errichtet. Hier lebten Jüdinnen und Juden bis 1796. Nach deren Auflösung im frühen 19. Jahrhundert siedelten sie sich im ganzen Stadtgebiet an, die Ärmeren zogen in das benachbarte Ostend. Die berühmte Rindswurst von Gref-Völsing ist übrigens eine Kreation für die jüdische Kundschaft gewesen.
Es bildeten sich nun auch größere Gemeinden in Hessen. Juden unterstützten soziale Stiftungen, Bildungseinrichtungen und die Kultur. So entstanden zum Bespiel in Frankfurt durch das Engagement jüdischer Bürger die Universität, der Palmengarten, der Hauptbahnhof, die Alte Oper, das Clementinen-Kinderkrankenhaus und die Frankfurter Allgemeine Zeitung wurde gegründet. Die jüdischen Inhaber der Schuhfabrik Schneider waren die alleinigen Sponsoren der Eintracht Frankfurt bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten. 1933 zählte die jüdische Gemeinde circa 30.000 Mitglieder, rund sieben Prozent der Bevölkerung Frankfurts. Damit war sie prozentual die größte Gemeinde in Deutschland. Als die amerikanische Armee 1945 Frankfurt befreite, lebten nur noch etwa 100 Juden in der Stadt.
Über den Raum
Was bedeutet es, jüdisch zu sein?
Die religiösen Grundlagen und Gebote, Traditionen und Bräuche spielen im Alltag und der Lebenswelt von Jüdinnen und Juden eine unterschiedliche Rolle. Die Auseinandersetzung mit einem gerechten Miteinander sowie der sich umgebenden Welt und Natur sind dagegen oftmals fest im Leben verankert. Woraus bestehen die zentralen Inhalte des Judentums?
Der folgende Raum verschafft dir einen Überblick über die Verbreitung des Judentums, dessen religiöse Grundlagen sowie einen Einblick in moralische, ethische Fragen, mit denen sich das Judentum beschäftigt. Wodurch zeichnet es sich aus, „jüdisch“ zu sein? Welche religiösen Aspekte liegen dem Judentum zugrunde und welche Rolle spielt das im Alltag und in der allgemeinen Lebensplanung?
Ausstellungsraum 3
Erfahrungen junger Jüdinnen und Juden
Wo begegnet Jüdinnen und Juden heute Antisemitismus?
Jüdische Siedlungsgeschichte im Mittelalter
Jüdische Gemeinden
Denkanstoß: Kennst du die Geschichte der jüdischen Gemeinde in deiner Stadt oder deinem Dorf?
Judentum weltweit
Judentum weltweit
Die hier abgebildeten Angaben umfassen aber nur die offiziellen Mitglieder der jüdischen Gemeinden. Jüdinnen und Juden, die nicht Teil einer Gemeinde sind, können in den Statistiken nicht erfasst werden.
War das schon immer so?
Entwicklung in einzelnen Ländern
Wer glaubt was?
Bei einer Gesamtbevölkerung von 85 Milionen Menschen in Deutschland, gehören sie einer Minderheit an. Die überwiegende Mehrheit der Menschen in Deutschland ist Mitglied in den christlichen Kirchen. Doch auch die Zahl der Konfessionslosen ist in Deutschland vergleichsweise hoch.
Vom Großen zum Kleinen
Denkanstoß: Was bedeutet es, christlich, muslimisch oder jüdisch zu sein? Welche Rolle spielt Religion für dich und deine Familie in deinem und euren Alltag?
Wie reagiert man auf Antisemitismus
Wie reagiert man auf Antisemitismus?
Was kannst du unternehmen?
Sollte dir Antisemitismus begegnen oder du bist selbst Opfer geworden, kannst du dir Hilfe suchen. Was du tun kannst und wo du dir Hilfe suchen kannst:
www.report-antisemitism.de: Meldeportal des Bundesverbands der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus e. V.
www.response-hessen.de: Beratungsstelle für Betroffene rechter Gewalt in Hessen.
www.rote-linie.de: „Rote Linie – Hilfen zum Ausstieg vor dem Einstieg“ bietet Hilfestellung für potenziell gefährdete Jugendliche, die drohen in den organisierten Rechtsextremismus abzudriften. Zudem bietet sie Hilfe bei Hassrede und Mobbing im Internet.
www.hassmelden.de: Auf der Plattform Meldestelle für Hatespeech „Hassmelden“ kannst du Hasskommentare, rassistische Übergriffe, Beleidigungen oder Drohungen aus dem Internet melden.
www.ofek-beratung.de/hessen: „OFEK e. V. – Beratungsstelle bei antisemitischer Gewalt und Diskriminierung“ bietet lokale Unterstützungsangebote in Hessen für Einzelpersonen, Familien und Angehörige sowie Zeuginnen und Zeugen bei antisemitischer Gewalt an.
www.hessengegenhetze.de
Meldestelle für Hetze und Hass im Internet. Du kannst den Vorfall auch anonym und online melden.
Ausstellungsraum 4
Jüdische Migrationsbewegung nach 1945 und 1989/90
Jüdische Migrationsbewegungen nach 1945 und 1989
Displaced Persons: Menschen, die während des Zweiten Weltkrieges verschleppt oder deportiert worden waren und sich nach der Befreiung durch die Alliierten außerhalb der Grenzen ihrer Heimatländer befanden. Darunter fallen z. B. Zwangsarbeiter, (meist jüdische) Überlebende der Konzentrationslager sowie politische Gefangene und Kriegsgefangene der Nationalsozialisten und ihrer Verbündeten.
Displaced Persons
Migrationsbewegung nach 1990
Religiöse Grundlagen
Religiöse Grundlagen
Eine Beschäftigung mit dem Judentum geht über die religiösen Grundlagen hinaus. Die Frage, ob das Judentum bloß eine Religion oder eine Nation oder Volk sei, wird unterschiedlich beantwortet. Jüdinnen und Juden in Deutschland und auf der Welt bilden ebenso wenig wie Christen und Muslime eine einheitliche Gemeinschaft.
Welche Rolle spielen Bräuche, Traditionen und Feste im Leben (junger) Jüdinnen und Juden? Was unterscheidet das Judentum von anderen Religionen und was verbindet diese?
Halacha: (aus dem Hebräischen halach: „gehen“, „wandeln“) Die Gesamtheit jüdischen Rechts, das das Verhältnis des Volkes zu Gott und unter seinen Mitgliedern regelt, heißt „Halacha“, was mit „Lehre vom rechten Lebenswandel“ übersetzt werden kann.
Die Heilige Schrift
Die Heilige Schrift des Judentums ist der Tanach. Er besteht aus drei Teilen und umfasst 39 Bücher. Einen besonderen Stellenwert nimmt der erste Teil der Heiligen Schrift ein, die Tora. Sie ist unterteilt in die fünf Bücher Mose. Der Name „Tora“ bedeutet „Lehre“, kann aber auch mit „Gesetz“ übersetzt werden. Sie ist das erste Buch einer monotheistischen Religion und bildet den Mittelpunkt des jüdischen Glaubens. Die Schrift enthält Berichte über die Schöpfung, über Moses und dessen Begegnung mit Gott, die Geschichte des Volkes Israel und dessen Wanderungen. Sie umfasst unter anderem 613 Weisungen, beziehungsweise Gebote und Verbote.
Lernen durch Wiederholung
Im Alltag war es notwendig, die Tora und deren Regelungen immer wieder aufs Neue zu interpretieren und zu kommentieren, zu erklären und in Kontext zu setzen. Daher enthält der Talmud auch die Gemara. Das sind von Gelehrten über Jahrhunderte beigefügte Kommentare zu den Gesetzen und religiösen Traditionen.
Denkanstoß: Das Judentum ist die älteste monotheistische Weltreligion. Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede gibt es zum Beispiel zum Christentum und Islam?
Das Judentum kennt viele Feste
Das Judentum konzentriert sich auf das Leben auf der Erde. Es gibt eine eigene jüdische Zeitrechnung und einen eigenen Jahreskalender, der sich nach dem Mond ausrichtet: So ist das jüdische „Jahr null“ nach gregorianischer Zählung das Jahr 3761 v. Chr. und auch Monate werden anders gezählt. Das jüdische Neujahr ist im Herbst (Tischri) und endet mit dem Monat Elul.
Jüdische Feste und Feiertage richten sich nach dem jüdischen Kalender. Wie feiern Jüdinnen und Juden und welche Feste und Bräuche gibt es neben dem wöchentlichen Schabbat im Judentum?
An diesem Tag überdenkt man das Vergangene in Hinblick darauf, was man im neuen Jahr besser machen möchte. Gott sitzt während der Zeit bis Jom Kippur über die Menschen zu Gericht und bestimmt die „Schicksale“ der Menschen für das neue Jahr. Die Vorbereitung auf diesen Tag beginnt vier Wochen zuvor – ähnlich der christlichen Fastenzeit vor Ostern.
Zu Beginn des Neujahrsfestes und zum Ende von Jom Kippur wird das Schofarhorn – ein Widderhorn – geblasen, um Gott Anerkennung zu zeigen. Es erinnert an den Widder, den Abraham anstelle Isaaks für Gott opferte. Am Schabbat wird der Schofar nicht geblasen.
Rosch ha-Schana
Das Neujahrsfest, Rosch ha-Schana,
ist ein hoher Feiertag im Judentum. Das neue Jahr beginnt mit dem Wunsch, sich
mit Gott und seinen Mitmenschen zu versöhnen. Der Feiertag liegt jedoch nicht
im Januar – der erste Monat des jüdischen Kalenders ist der Tischri. Im Jahr
2021 wird das Neujahrsfest am 7./8. September gefeiert werden.
An diesem Tag überdenkt man das Vergangene
in Hinblick darauf, was man im neuen Jahr besser machen möchte. Gott sitzt
während der Zeit bis Jom Kippur über die Menschen zu Gericht und bestimmt die „Schicksale“
der Menschen für das neue Jahr. Die Vorbereitung auf diesen Tag beginnt vier
Wochen zuvor – ähnlich der christlichen Fastenzeit vor Ostern.
Jom Kippur
Nach zehn Tagen folgt auf das
Neujahrfest der Versöhnungstag Jom
Kippur. An diesem Tag ergeht das göttliche Urteil, auf das sich die
Gläubigen mit Fasten und Büßen einstellen. Jom Kippur ist einer der wichtigsten
Feiertage im Judentum, an denen Gott bereute Sünden vergibt.
Zu Beginn des Neujahrsfestes und
zum Ende von Jom Kippur wird das Schofarhorn – ein Widderhorn – geblasen, um
Gott Anerkennung zu zeigen. Es erinnert an den Widder, den Abraham anstelle
Isaaks für Gott opferte. Am Schabbat wird der Schofar nicht geblasen.
Pessach
Das Pessachfest ist ein Wallfahrtsfest. Es
erinnert
an den Auszug der Israelis aus Ägypten. Das Fest erwuchs aus dem nomadischen
Brauch, im Frühjahr ein Lamm zu schlachten.
Schawout
50 Tage nach dem Pessachfest wird das Erntefest Schawuot gefeiert. Die Gerste ist abgeerntet und die Weizenernte beginnt. Außerdem feiert die jüdische Gemeinde die Übergabe der Tora.
Sukkot
Das Sukkotfest, auch Laubhüttenfest genannt, findet fünf Tage nach Jom Kippur statt und dauert acht Tage. Als ursprüngliches Erntedankfest erinnert es in jüdischer Tradition an die provisorischen Behausungen während der 40-jährigen Wanderung des Volkes Israel durch die Wüste.
Chanukka
Das Lichterfest Chanukka dauert acht Tage und findet im Monat Kislew (Dezember) statt. An diesen Feiertagen wird der Einweihung des Tempels in Jerusalem nach dem siegreichen Makkabäeraufstand (164 v. Chr.) gedacht. Der Erzählung nach brannten die Lichter des Tempels auf wundersame Weise acht Tage lang fast ohne Lampenöl. In Erinnerung daran hat der Chanukkaleuchter acht Arme. Chanukka feiert mit der Einweihung des Tempels auch den Erhalt jüdischer Identität unter schweren Bedingungen.
Purim
Purim ist ein Freudenfest, das im Monat Adar (Februar oder März) gefeiert wird. Es gedenkt der Rettung des jüdischen Volkes durch Esther. Sie wurde von ihrem Cousin, dem jüdischen Mordechai, großgezogen und heiratete den König von Persien. Das ermöglichte ihr, ihr Volk vor dem Plan des hohen Regierungsbeamten Haman, alle Juden in Persien zu ermorden, zu retten. An Purim wird aus dem Buch Mose und Esther gelesen und jede Nennung des Namen Hamans wird durch Rasseln und andere laute Geräusche übertönt.
Von besonderer Bedeutung ist die „Brit Mila“, die Beschneidung männlicher Säuglinge am achten Lebenstag. Auch Juden, die sich nicht mehr als religiös bezeichnen, halten an der Beschneidung fest. Die Beschneidung markiert den Bund mit Gott und den Eintritt in die jüdische Gemeinschaft.
Brit Mila
Neben Feiertagen gibt es
traditionelle Feste, die Jüdinnen und Juden im Lauf ihres Lebens feiern, etwa
die Geburt, das Erreichen der religiösen Volljährigkeit oder die Hochzeit.
Von besonderer Bedeutung ist die
„Brit Mila“, die Beschneidung männlicher Säuglinge am achten Lebenstag. Auch
Juden, die sich nicht mehr als religiös bezeichnen, halten an der Beschneidung
fest. Die Beschneidung markiert den Bund mit Gott und den Eintritt in die
jüdische Gemeinschaft.
Bar Mizwa
Jungen erreichen mit 13 Jahren im Rahmen der Bar-Mizwa ihre religiöse Volljährigkeit. Am Schabbat nach ihrem Geburtstag wird ihre Aufnahme in der Synagoge gefeiert, wo sie zum ersten Mal aus der Tora vorlesen.
Bat Mizwa
Mädchen in liberalen Gemeinden
feiern mit zwölf Jahren ihre Volljährigkeit im Rahmen der Bat-Mizwa. Im
Anschluss folgt eine Feier.
Denkanstoß
Die Bar-Mizwa bzw. die Bat-Mizwa stellt für junge Jüdinnen und Juden den Übergang in die religiöse Volljährigkeit dar, sie sind fortan ein vollwertiges Mitglied der jüdischen Gemeinde. Kennst du ähnliche Rituale?
Alles eine Verschwörung?
Alles eine Verschwörung?
Seit Jahrhunderten wird ihnen beispielsweise zugeschrieben, im Geheimen Böses zu tun, zu betrügen oder etwa umfassende Kontrolle über Politik, Finanzen und die Medien zu haben. Besonders in Krisenzeiten erleben solche Erzählungen immer wieder neuen Auftrieb. Im Mittelalter erklärte etwa der christliche Antijudaismus das Aufkommen der Pest damit, dass Juden die Brunnen vergiftet hätten. Der Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde Abbas beschuldigte Israel, das in Palästina zu tun - vor dem EU-Parlament und bekam Beifall für seine Rede (2016). Dass das „internationale Finanzjudentum“ nach der Weltherrschaft strebe, ist seit Mitte des 19. Jahrhunderts der verbreitetste Mythos. Aktuell bietet die Covid-19-Pandemie fruchtbaren Boden für antisemitische Verschwörungserzählungen.
Theorie, Erzählung, Mythos oder Ideologie?
Weitverbreitet ist der Begriff „Verschwörungstheorie“. Dieser täuscht aber eine theoretische, wissenschaftliche Grundlage vor, was nicht zutrifft. Viele sprechen daher von Verschwörungserzählungen. Das soll verdeutlichen, dass es sich lediglich um eine Annahme handelt, die nicht nachvollziehbar ist. Eine Verschwörungserzählung erscheint in sich schlüssig und jeder rationale Einwand wird als Bestätigung angesehen. Um Verschwörungserzählungen zu erkennen, kann man fragen: Von wem kommt die Erzählung, was ist ihre Intention und gibt es eine andere, rationale Erklärung?
Verschwörungsideologie hingegen beschreibt ein Denksystem, ein Weltbild. Kritik und Widerspruch an diesem wird ausgeschlossen. Trotz widerlegender Beweise wird die Ideologie aufrechterhalten, da der Glaube an eine Verschwörung so weit gefestigt ist. Existierende Gruppen wie Geheimdienste oder wohlhabende Familien werden als Verschwörer inszeniert.
Der Verschwörungsmythos bezieht sich nicht wie die Ideologie auf existierende Gruppen oder Einzelpersonen, sondern auf fiktive Personen oder Gruppen. Hierunter zählen etwa die Mythen über Reptiloide oder die Illuminati.
Jüdische Erinnerungsorte in Hessen
Jüdische Erinnerungsorte in Hessen
Das Ostend
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts entstand im Osten der Stadt Frankfurt ein neues Wohngebiet. Es siedelten sich zunächst überwiegend Arbeiter an. Doch nach der Öffnung der Frankfurter Judengasse siedelten viele Jüdinnen und Juden in dem Viertel an. Ende des 19. Jahrhunderts war fast jeder zweite Bewohner im „Ostend“ jüdisch. Es gab zahlreiche jüdische Geschäfte und Wohlfahrtseinrichtungen wie das jüdische Waisenhaus.
Synagoge in der Friedberger Anlage
Durch jüdische Einwanderer aus Ost- und Mittelosteuropa war das Leben im Ostend vor allem durch das orthodoxe Judentum geprägt. Die orthodoxe Gemeinde errichtete zu Beginn des 20. Jahrhunderts an der Friedberger Anlage ihre Synagoge. Diese wurde von den Nationalsozialisten in der Reichspogromnacht 1938 zerstört und ein Bunker wurde an ihrer Stelle errichtet. Heute findet sich hier ein Ausstellungsraum, der die Geschichte des Ostends beleuchtet.
Battonstraße
Denkanstoß: Gibt es bei dir im Ort einen jüdischen Friedhof und kennst du dessen Geschichte?
Rothschildpalais
Denkanstoß: Suche nach Berührungsorten in deiner Umgebung und recherchiere deren Geschichte.
Ausstellungsraum 1
Moral und Ethik
Moral und Ethik
Wie selbstbestimmt sind wir? Welche Folgen hat unser eigenes Handeln auf uns selbst und das Zusammenleben mit anderen und die Natur? Solche Überlegungen können und werden dir in deinem Alltag immer wieder begegnen. Eine allgemeingültige Antwort ist schwer zu finden, schließlich ändert sich unsere Welt stetig und althergebrachte Ansichten müssen immer wieder aufs Neue durchdacht werden. Im Zentrum der jüdischen Ethik stehen Gerechtigkeit, Wohltätigkeit, Güte und Mitgefühl. Welche Antworten gibt das Judentum auf heutige moralische und ethische Fragen?
Noachidische Gebote
Noachidische Gebote: Die sieben Gebote umfassen das Verbot von Mord, Diebstahl, Götzenanbetung, Unzucht, Verzehr von Fleisch eines lebenden Tieres, Gotteslästerung sowie die Einführung von Gerichten, um die Einhaltung der Gesetze zu gewähren.
Wie frei ist unser eigener Wille?
Die Frage nach der Willensfreiheit wird von vielen Menschen seit je diskutiert. So meinen einige Philosophen, Wissenschaftler und Denker zum Beispiel, dass alle Entscheidungen vorherbestimmt sind – durch vorherige Ereignisse, natürliche Triebe oder aber auch die Allwissenheit Gottes. Inwiefern die Willensfreiheit etwa durch die Allmacht und Allwissenheit Gottes eingeschränkt ist, wird auch im Judentum diskutiert. Der Philosoph Maimonides zum Beispiel erklärte, dass die menschliche Vernunft und das Handeln eine Gabe Gottes seien. Das ermöglicht uns, frei von Trieben, eigenen Bedürfnissen und äußeren Einflüssen zu entscheiden. Vielmehr basiere das Handeln auf Werten und Idealen. Demnach sind Menschen in ihrem Willen frei, eigene Entscheidungen zu treffen.
Denkanstoß: Was bedeutet „freier Wille“ für dich? Können Menschen einen freien Willen haben und welche Rolle spielt hierbei die Religion?
Bal Taschchit
Die jüdische Lehre vertritt den moralischen Grundsatz, dass sich der Mensch die Natur zwar zu nutzen machen darf, doch ebenso für deren Erhalt sorgen muss. Ein verantwortungsvoller Umgang mit der Natur schließt zum Beispiel Umweltzerstörung und Verschwendung von natürlichen Ressourcen aus. Der Grundsatz „Bal Taschchit“ („Vernichte nicht!“) bezieht sich etwa auf die Verschwendung von Lebensmitteln, insbesondere von Obstbäumen. Frühe Auslegungen erweitern die Bedeutung auch auf andere Formen der mutwilligen Zerstörung und sinnlosen Verschwendung, wie von Lampenöl, Kleidung oder Tieren.
Es liegt in der Verantwortung eines jeden Einzelnen, der Zerstörung von natürlichen Ressourcen und der Verschwendung entgegenzuwirken, die Natur zu bewahren und durch das eigene Handeln zu verbessern. An Tu Bischwat, dem Neujahrsfest der Bäume, werden zum Beispiel Bäume gepflanzt.
Denkanstoß: Bal Taschchit wird oft als Verbot der Verschwendung von allerlei Ressourcen ausgelegt. Was könnte dies alles beinhalten, welche weiteren Beispiele fallen dir ein?
Darf ich Israel kritisieren?
Darf ich Israel kritisieren?
Palästina erzählt die Geschichte wechselhafter Eroberungen
Bereits 1917 versprach Großbritannien einerseits die Errichtung einer jüdischen Heimstätte in Palästina, andererseits aber auch ein arabisches Königreich von Palästina bis an den Persischen Golf sowie ein Königreich Großsyrien. Doch Palästina wurde nach dem Ersten Weltkrieg ein Mandatsgebiet unter britischer Führung.
Die jüdische Besiedelung Palästinas nahm weiter zu. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 strömten immer mehr Jüdinnen und Juden nach Palästina und kauften dort Land. Aus Sorge vor Konflikten beschränkte die britische Mandatsmacht die jüdische Zuwanderung. Auf beiden Seiten gründeten sich paramilitärische Organisationen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg konnten zum einen die Briten ihre Mandatsherrschaft nicht mehr aufrechterhalten und zum anderen wurde das Ausmaß des Holocaust bekannt. Daraufhin beschloss die UNO 1947, die Region in ein jüdisches und ein palästinensisches Land aufzuteilen. 1948 erklärte Israel seine Unabhängigkeit und das weltweite Judentum erhielt einen eigenen Staat.
Doch mit dem Aufteilungsplan der UNO war keine Seite zufrieden. Innerhalb kürzester Zeit kam es zum Krieg zwischen Israel und den arabischen Staaten, die die Gründung des Staates ablehnten. Dieser Konflikt prägt die Region bis heute und es kommt immer wieder zu Ausschreitungen. 1993 kam es zu Friedensgesprächen, in denen beide Seiten ihr jeweiliges staatliches Existenzrecht anerkannten. Seitdem werden bestimmte Gebiete von einer Palästinensischen Autonomiebehörde verwaltet.
"Juddebubbe"
„Juddebubbe“ – die Eintracht Frankfurt
Auch die Geschichte des hessischen Sportvereins Eintracht Frankfurt ist ohne die jüdischen Bürger der Stadt undenkbar. Neben jüdischen Unterstützern spielten in der Mannschaft selbst einige Juden. So war die Schuhfabrik J. & C. A. Schneider der jüdischen Inhaber Adler und Neumann vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten der wichtigste Sponsor und ermöglichte dem Verein seinen Aufstieg. Doch auch der Frankfurter Verein schloss jüdische Sportlerinnen und Sportler im Lauf der 1930er-Jahre aus und galt ab 1937 als „judenrein“. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden sämtliche Sportvereine von den Alliierten aufgelöst und die Vereine mussten sich neu gründen.
Jüdische Sportvereine
Einer der bedeutendsten ist bis heute „Makkabi“, der 1903 von deutsch-jüdischen Vereinen als Dachverband gegründet wurde. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde der Dachverband zunächst aus dem Sport ausgeschlossen und wenige Jahre darauf verboten. 1965 wurde Makkabi Deutschland wieder neu gegründet. Der Frankfurter Ortsverein ist heute mit über 1.000 jüdischen und nichtjüdischen Mitgliedern der größte Ortsverein.
(Foto: B1-Fussballjugend des juedischen Sportklubs Makkabi in Frankfurt am Main, 2018)
Die Eintracht Frankfurt
Klicke auf den Kreis und schaue dir das Interview an.
Sport im Nationalsozialismus
Bis 1933 konnten Juden weitestgehend
unbehelligt Sport ausüben. Doch mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten kam
es zu umfassenden Veränderungen im deutschen Sport und Juden wurden aus dem
Wettbewerb mit nichtjüdischen Vereinen ausgeschlossen. Der Sport im
Nationalsozialismus sollte am Militär und Wehrdienst ausgerichtet sein. Er sei
„die Vorbildung für den späteren Heeresdienst“.
Harry Valérien: Sport in der Hitler-Jugend
Harry Valérien war Mitglied der Hitlerjugend und später Sportjournalist. Er beschreibt die Bedeutung von Sport im Nationalsozialismus besonders für Jugendliche.
Klicke auf den Kreis und schaue dir das Interview an.
Die Eintracht im Nationalsozialismus
„Die unterzeichnenden, am 9. April 1933 in Stuttgart anwesenden, an den Endspielen um die süddeutsche Fußballmeisterschaft beteiligten Vereine des Süddeutschen Fußball- und Leichtathletikverbandes stellen sich freudig und entschieden den von der nationalen Regierung auf dem Gebiet der körperlichen Ertüchtigung verfolgten Besprechung zur Verfügung und sind bereit, mit allen Kräften daran mitzuarbeiten. Sie sind gewillt, in Fülle dieser Mitarbeit alle Forderungen, insbesondere in der Frage der Entfernung der Juden aus den Sportvereinen, zu ziehen. Sie betrachten es ferner als vaterländliche Pflicht, den Wehrsport in ihr Jugenderziehungsprogramm aufzunehmen. Stuttgarter Kickers, Karlsruher FV, Phönix Karlsruhe, Union Böckingen, FSV Frankfurt, Eintracht Frankfurt, 1. FC Nürnberg, SpVgg Fürth, SV Waldhof, Phönix Ludwigshafen, Bayern München, 1860 München, FC Kaiserslautern, FC Pirmasens“ „Unser Verein ist judenfrei! Ausgrenzung im deutschen Sport“, hrsg. v. Lorenz Pfeiffer u. Henry Wahlig, Berlin/Boston 2017, Dok. 267 „Stuttgarter Erklärung führender süddeutsche Fußballvereine zur ‚Entfernung der Juden aus den Sportvereinen‘“
1933 tritt er aus seinem Verein aus und kommt dem Ausschluss zuvor. Ab 1939 muss er Zwangsarbeit verrichten. Er wird zunächst nicht deportiert da er mit einer Nicht-Jüdin verheiratet ist. 1943 wird er nach Auschwitz deportiert. 1950 wird er offiziell für tot erklärt.
Ab 1911 spielt er in der Nationalmannschaft. Während der Olympischen Spiele 1912 stellte er gegen Russland ein Tor-Weltrekord auf, er schoss in einem Länderspiel zehn Tore. 1920 beendet er offiziell seine Fußballkarriere. Aus seinem Sportverein wurde er 1935 als Jude ausgeschlossen. Zwei Jahre später emigriert er nach Kanada, wo er 1972 verstarb.
Sein Tor-Weltrekord von 1912 wurde erst 2001 gebrochen.
1928, nach ihrem Vereinswechsel, nimmt die an den Olympischen Spielen teil. Sie gewinnt mehrere Titel, wie Deutsche Speerwurfmeisterin. Ab 1931 trainiert sie die britische Leichtathletikmannschaft. Zwei Jahre darauf zieht sie nach London, da die antisemitische Diskriminierung immer weiter zunimmt.
Walther Bensemann
Walther Bensemann wurde am 13. Januar 1873 in Berlin geboren und gilt als deutscher Fußballpionier. Er war an zahlreichen Vereinsgründungen etwa in Straßburg, Baden-Baden, München, Marburg und Freiburg beteiligt – darunter auch die der Eintracht Frankfurt. Zudem begründete er die noch heute bekannte Fußballzeitung „Kicker“. Er vertrat die Idee, dass Fußball friedensstiftend wirken könne und die Menschen unabhängig von Klasse und Herkunft verbinde. Nach der Machtübernahme floh er 1933 in die Schweiz und verstarb dort am 12. November 1934.
Denkanstoß
Walther Bensemann sah im Sport die Möglichkeit, Menschen unterschiedlicher Herkunft zu verbinden: „Der Sport ist eine Religion, ist vielleicht heute das einzig wahre Verbindungsmittel der Völker und Klassen.“ – Stimmst du dem zu? Wie integrativ kann Sport wirken?
Helene Mayer
Helene Mayer wurde am 20. Dezember 1910 als Tochter eines jüdischen Arztes in Offenbach am Main geboren. Im Alter von zehn Jahren trat sie dem Fechtclub Offenbach bei und wurde mit 14 Jahren Deutsche Meisterin im Florettfechten. Sie hielt diesen Titel fünf Jahre in Folge. 1928 gewann sie in Amsterdam die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen und wurde weltweit bekannt.
Olympische Spiele
Sie gehörte 1936 zu den wenigen Sportlerinnen mit jüdischen Wurzeln, die an den Olympischen Spielen teilnehmen durften, und gewann die Silbermedaille. Sie selbst sah sich jedoch nicht als Jüdin. 1937 emigrierte sie in die Vereinigten Staaten und erhielt 1940 die amerikanische Staatsbürgerschaft. Sie verstarb 1953.
Julius Hirsch
Julius Hirsch wurde am 7. April 1892 in Achern geboren. In seiner Karriere als Nationalspieler wurde er 1910 und 1914 zwei mal Deutsche Meister. Er ist der zweite jüdische Nationalspieler.
1933 tritt er aus seinem Verein aus und kommt dem Ausschluss zuvor. Ab 1939 muss er Zwangsarbeit verrichten. Er wird zunächst nicht deportiert da er mit einer Nicht-Jüdin verheiratet ist. 1943 wird er nach Auschwitz deportiert. 1950 wird er offiziell für tot erklärt.
Gretel Bergmann Lambert
Gretel Bergmann wurde 1914 in Laupheim geboren. Sie gehörte zu den besten Hochspringerinnen in Deutschland. Aufgrund ihrer jüdischen Herkunft wird sie bereits 1933 aus ihrem Sportverein ausgeschlossen. Daraufhin emigriert sie nach Großbritannien und plant für das britische Team an den Olympischen Spielen teilzunehmen. Allerdings wird sie vom NS-Regime genötigt nach Deutschland zurückzukehren, um dort weiter zu trainieren - eine Teilnahme will das Regime jedoch verhindern. Obwohl sie sich durch einen neuen deutschen Rekord im Hochsprung qualifiziert hatte, verweigert man ihr die Teilnahme. Sie wandert in die USA aus und ist dort weiterhin aktiv im Sport. Ihr Hochsprungrekord wurde 2009 vom Leichtathletik-Verband offiziell in die Statistik erfasst.
Gottfried Fuchs
Gottfried Fuchs wurde am 3. Mai 1889 in Karlsruhe geboren und spielte seit klein auf Fußball. Mit seiner späteren Mannschaft (Karlsruher FV) wird er mehrmals Süddeutscher Meister.
Ab 1911 spielt er in der Nationalmannschaft. Während der Olympischen Spiele 1912 stellte er gegen Russland ein Tor-Weltrekord auf, er schoss in einem Länderspiel zehn Tore. 1920 beendet er offiziell seine Fußballkarriere. Aus seinem Sportverein wurde er 1935 als Jude ausgeschlossen. Zwei Jahre später emigriert er nach Kanada, wo er 1972 verstarb.
Sein Tor-Weltrekord von 1912 wurde erst 2001 gebrochen.
Martha Jacob
Martha Jacob, am 7. Februar 1911 in Berlin geboren, ist bereits als Fünfjährige Mitglied des Turnvereins Bar Kochba Berlin. Anfangs trainiert sie vor allem Turnen und Gymnastik doch entdeckt ab 1924 ihr Talent für Leichtathletik.
1928, nach ihrem Vereinswechsel, nimmt die an den Olympischen Spielen teil. Sie gewinnt mehrere Titel, wie Deutsche Speerwurfmeisterin. Ab 1931 trainiert sie die britische Leichtathletikmannschaft. Zwei Jahre darauf zieht sie nach London, da die antisemitische Diskriminierung immer weiter zunimmt.
Neugründung nach 1945
Arthur Cahn (ehemalige Spieler, Vorsitzender und Pressewart), der 1936 mit seiner Schwester nach Chile geflüchtet war, schrieb in einem seiner letzten Briefe 1952 an seine alten Vereinskameraden: „Ihr Eintrachtler, lasst euch nicht zerbrechen, fördert nach wie vor das Wahre, Gute und Schöne, helft der gewillten und befähigten Jugend, die Tradition zu erhalten, und schätzt den Geist und den zähen Willen der Alten und Ältesten, die zum Wiederaufbau stehen, und grüßt mir mein schönes Frankfurt und meine Eintracht.“
Jüdische Vielfalt
Ist jüdisch gleich jüdisch?
Im Judentum gibt es wie auch in anderen Religionen verschiedene Strömungen, die durch verschiedene geografische, kulturelle und politische Rahmenbedingungen geprägt wurden und sich in ihren Bräuchen, Traditionen und auch ihrer Sprache unterscheiden. Ca. 70. n. Chr. wurde Jerusalem durch die Römer zerstört und das jüdische Volk vertrieben. Die ins heutige Spanien (biblischer Name „Sefardim“) ausgewanderten Jüdinnen und Juden nannten sich Sefardim und erlebten während der muslimischen Herrschaft ab 709 vier „goldene Jahrhunderte“, in denen sie enorme Fortschritte in Wissenschaft und Kultur erzielten. Im 15. Jahrhundert wurden sie aus Spanien vertrieben. Sie lebten daraufhin vor allem im Osmanischen Reich, aber auch in Italien, Frankreich oder Nordafrika.
Im frühen Mittelalter siedelten sich viele Juden in Mittel- und Nordeuropa an, zum Beispiel in den Gebieten des Heiligen Römischen Reichs. Sie nannten ihr Siedlungsgebiet Aschkenas und sich selbst Aschkenasim. Viele zogen jedoch aufgrund von Judenfeindschaft oder Verfolgungen weiter Richtung Ostmittel- und Osteuropa. Darüber hinaus unterteilt sich das Judentum in viele weitere Strömungen. Welche Ausrichtungen gibt es und wie gestaltet sich das Zusammenleben?
Das liberale Judentum
Doch es verweist auch auf die Pflicht, historische Vorstellungen aufzugeben und die vom Menschen niedergeschriebenen Schriften und Gebote anzupassen. Jüdische Tradition soll mit moderner Kultur in Einklang gebracht werden. Im liberalen Sinn bedeutet jüdisch zu sein, sich in der persönlichen Lebenswelt für die Schöpfung, die Gerechtigkeit zwischen den Menschen und den Erhalt von Frieden einzusetzen.
Das orthodoxe Judentum
Orthodox: Der Begriff stammt aus dem Griechischen und bedeutet „rechtgläubig“.
Judentum, Christentum, Islamein Gott - drei Kinder
Dennoch zeigt die Geschichte, dass ein friedliches Miteinander möglich ist. Im spanischen Mittelalter schufen zum Beispiel jüdische Schriftgelehrte und forschungsfreudige Muslime eine wissenschaftliche und kulturelle Blütezeit, von der Europa bis heute profitiert.
Ausstellungsraum 2
Über den Raum
Antisemitismus hat Geschichte
Aus der Existenz von Antisemitismus in der deutschen Gesellschaft in verschiedenen Erscheinungsformen leitet sich die Verantwortung ab, die Bedeutung des Erinnerns an den Holocaust und die strukturelle Diskriminierung von Jüdinnen und Juden für unser Zusammenleben zu betonen. Sie mahnt vor den Folgen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, vor der Gefahr, die von Stereotypen und Diskriminierung religiöser oder ethnischer Gruppen ausgeht, und zeugt von der Bedeutung des Schutzes von Minderheiten.
Holocaust: Der Begriff stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet „vollständig verbrannt“ und steht für den Völkermord an den europäischen Juden. Der Begriff Shoah stammt aus dem Hebräischen und bedeutet „Unheil“ oder auch „Katastrophe“.
"Das mutierende Virus"Am 27. September eröffnete der britische Rabbi Lord Jonathan Sacks im Europäischen Parlament die „Konferenz zur Zukunft der jüdischen Gemeinden in Europa“.
(Deutsche Übersetzung bereitgestellt von Audiatur Online)
Deutsch-jüdische Geschichte
Deutsch-jüdische GeschichteZwischen Anpassung und Isolation
Doch kennzeichnete die Vertreter der europäischen Aufklärung ein gespaltenes Verhältnis zum Judentum. So fordern die Ideale der Aufklärung zwar Toleranz und Gleichberechtigung, doch gleichzeitig wurde das Judentum als eine rückständige Religion angesehen. Zudem führten die Bemühungen nach rechtlicher Gleichstellung und gesellschaftlicher Akzeptanz letztlich auch zu Diskussionen um die jüdische Identität und zu einer Spaltung der jüdischen Gemeinde. Welche Streitpunkte standen im Mittelpunkt der jüdischen Aufklärung? Welche jüdischen Einflüsse gab es im 19. Jahrhundert?
Jüdische Aufklärung
Die Ideen der europäischen Aufklärung beeinflussten das Judentum und führten zu einem Wandel der Selbstwahrnehmung vieler Jüdinnen und Juden. Vertreter der jüdischen Aufklärung wie der jüdische Philosoph Moses Mendelssohn forderten eine kulturelle Anpassung an die christliche Umwelt und eine Modernisierung der jüdischen Religion und Gesetze: Jüdinnen und Juden sollten sich aus ihrer traditionellen Welt hinausbewegen ohne jedoch ihre eigene Religion gänzlich aufzugeben.
Toraübersetzung
Im Jahr 1783 veröffentliche Mendelssohn eine deutsche Übersetzung der Tora. Sie bot vielen jiddischsprachigen Jüdinnen und Juden die Möglichkeit, Deutsch zu lernen. Er beabsichtigte damit, das Judentum für die Bildung und Kultur zu öffnen und dessen gesellschaftliche Integration zu fördern.
Israel Jacobson
Der Bankier und Rabbiner Israel Jacobson (1768‒1828) setzte sich für die Interessen jüdischer und christlicher Benachteiligter ein. Er errichtete zum Beispiel eine Schule, die später auch von christlichen Schülern besucht wurde.
Reformgottesdienst
1810 eröffnete Jacobson den Jacobstempel mit dem ersten jüdischen Reformgottesdienst, der auf Deutsch gehalten und von Chorgesang und Orgel begleitet wurde. Die Angleichung von Judentum und Christentum mit dem Ziel eines gemeinschaftlichen Fortschrittes zum Besseren hatte er sich, von Mendelssohn beeinflusst, auf die Fahnen geschrieben. Die Idee des Reformgottestdienst breitete sich bis nach Nordamerika aus.
Kritik an Anpassung
1812 - Preußisches Judenedikt
Im Zuge weitreichender Reformen verlieh der preußische Staat den jüdischen Bewohnern im Jahr 1812 den Bürgerstatus. Obwohl dies mit einer Gleichstellung an Rechten und Pflichten verbunden war, beinhaltete dies nicht das Recht zum Staatsdienst in Verwaltung, Justiz oder dem Offizierskorps. Dennoch brachten Juden ein Jahr später ihr staatsbürgerliches Verständnis zum Ausdruck, indem sie sich in den Befreiungskriegen gegen Frankreich als Freiwillige meldeten.
Auszug der ostpreußischen Landwehr ins Feld 1813
Der Maler Gustav Graef inszenierte dies in der Mitte des 19. Jahrhunderts rückblickend in seiner Darstellung Auszug der ostpreußischen Landwehr ins Feld 1813, indem er einen sich von seinen Eltern verabschiedenden jüdischen Freiwilligen im rechten unteren Vordergrund prominent in Szene setzte.
Zwischen Anpassung und Ausgrenzung
Doch trotz der rechtlichen Gleichstellung und Errungenschaften stießen Jüdinnen und Juden auf Vorurteile und blieben noch lange stark benachteiligt – etwa an den Universitäten oder im Staatsdienst.
Albert Einstein
Der Nobelpreisträger Albert Einstein (1979‒1955) gilt als einer der bedeutendsten Physiker. Bereits 1905 veröffentlichte er seine ersten Arbeiten zur Relativitätstheorie. Und auch zur Quantenphysik leistete er wesentliche Beiträge. 1934 wurde er aus dem Deutschen Reich ausgebürgert, seine Schriften wurden im nationalsozialistischen Deutschen Reich verbrannt.
Hannah Arendt
Die Philosophin und politische Theoretikerin Hannah Arendt (1906‒1975) gilt noch heute als eine der größten politischen Denkerinnen. In ihren Werken analysierte sie diktatorische und totalitäre Regime. 1961 kommentierte sie den Prozess gegen Adolf Eichmann, der die Deportation der europäischen Jüdinnen und Juden organisiert hatte, und prägte den Begriff der „Banalität des Bösen“.
Moritz Daniel Oppenheim
Moritz Daniel Oppenheim (1800‒1882) gilt als „erster jüdischer Maler“, der eine akademische Ausbildung genoss und weltweit bekannt war. Er malte vor allem Porträts jüdischer Persönlichkeiten und Historienbilder. Viele seiner Bilder widmeten sich dem jüdischen Leben und der Frömmigkeit, aber auch der Identitätsbildung und dem Patriotismus. Besondere Berühmtheit erlangte er durch seine Bilder zu jüdischen Fest- und Feiertagen.
Else Lasker-Schüler
Else Lasker-Schüler (1869‒1945) war eine deutsch-jüdische Schriftstellerin und zählt zu den bedeutendsten expressionistischen Lyrikerinnen. Sie wurde nicht nur als Dichterin, sondern auch als Zeichnerin bekannt.
Theodor Herzl
Theodor Herzl (1860‒1904) studierte in Wien und arbeitete anschließend als Korrespondent bei einer Wiener Zeitung. Er war Schriftsteller, Publizist und Journalist. Im Jahr 1896 veröffentlichte er das Buch „Der Judenstaat“, indem er seine Meinung zur Notwendigkeit der Gründung eines jüdischen Staates beschreibt. Er starb 44 Jahre bevor Israel schließlich gegründet wurde.
Rahel Hirsch
Rahel Hirsch (1870‒1953) war eine deutsch-jüdische Ärztin. Sie arbeitete zunächst nach Abschluss ihres Pädagogikstudiums in Wiesbaden als Lehrerin. 1903/04 promovierte sie im Fach Medizin und arbeitete an der Berliner Charité. Im Jahr 1913 wurde sie als erste Frau in Deutschland zur Professorin der Medizin ernannt.
Paul Ehrlich
Der Mediziner Paul Ehrlich (1854‒1915) gilt als Begründer der Chemotherapie. Er entwickelte unter anderem eine Behandlung gegen Syphilis. Seinen Arbeiten zur Immunität bereiteten große Fortschritte bei der Entwicklung von Impfstoffen dar.
Sigmund Freud
Sigmund Freud (1856‒1939) ist der Begründer der Psychoanalyse. Seine entwickelte Traumdeutung dient der Erforschung des Unbewussten. Er unterteilte die menschliche Psyche in das „Es“ (Bedürfnisse und Triebe), das „Ich“ (kritischer Verstand) und das „Über-Ich“ (Gebote und Verbote). Noch heute werden seine Methoden angewandt und kritisch diskutiert.
Antijudaismus
Christlicher Antijudaismus
Diaspora: Das altgriechische Wort „diasporá“ bedeutet „Zerstreuung“. Der Begriff bezeichnet hier das Leben der jüdischen Minderheit unter vielen Andersgläubigen und verweist auf die Vertreibung nach der Zerstörung des Tempels in Jerusalem. Jüdinnen und Juden lebten „in der Welt zerstreut“. Heute trifft der Begriff für viele der in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Jüdinnen und Juden nicht mehr zu und Deutschland ist ihre Heimat.
Gottesmord: Der Vorwurf reicht zurück bis ins Jahr 160 und geht zurück auf die Schriften des Bischofs Melito von Sardes. Jüdinnen und Juden wird eine angebliche unaufhebbare Schuld an der Kreuzigung Jesus, der als Sohn Gottes gesehen wird, zugeschrieben. Dieser Verschwörungsmythos ist im christlichen Antijudaismus zentral und wird über Jahrhunderte hinweg immer wieder aufgegriffen und verbreitet.
1. Kreuzzug
Mit der Ausdehnung des Christentums im Mittelalter verbreiteten sich auch judenfeindliche Vorurteile und Stereotype. Als im Jahr 1096 Papst Urban II. zum Kreuzzug aufrief, um das Heilige Land von Feinden des Christentums zu befreien, kam es zu Pogromen an Jüdinnen und Juden. Die Massen wurden angetrieben von weitverbreiteten Vorurteilen und Verschwörungserzählungen. Sie galten als Gottes- bzw. Christusmörder, Hostienschänder oder Brunnenvergifter. Allein in Mainz und Worms fielen etwa 2.000 Menschen den Pogromen zum Opfer. Die Ereignisse stellen einen Einschnitt für das jüdische Leben dar.
Zeitgenössische Darstellung des Judenhuts
Die jüdische Bevölkerung im Mittelalter wird oftmals mit bestimmten Kennzeichnungen abgebildet wie zum Beispiel dem trichterförmigen „Judenhut“. Diese Kopfbedeckung fand vor allem Einzug in zeitgenössische Darstellungen und kennzeichnete jüdische Männer. Diese Darstellungen prägen bis heute das Bild von Juden im Mittelalter. Eine Pflicht zum Tragen solch eines Hutes gab es nicht. Eine offizielle, allgemeine Kennzeichnungspflicht wie der „Gelbe Fleck“ wurde hingegen erst ab Mitte des 15. Jahrhunderts durchgesetzt, in Frankfurt zum Beispiel 1462.
Wandmalerei
Die hier abgebildete Wandmalerei aus der Katharinenkapelle in Landau (Pfalz) aus dem 14. Jahrhundert bildet die Kreuzigung Jesus durch einen als Juden gekennzeichneten Mann ab und transportiert den antijüdischen kirchlichen Vorwurf des „Gottesmordes“.
Wohnen im Mittelalter
In den Städten im Heiligen Römischen Reich siedelten sich bestimmte Personengruppen oder auch Berufsgruppen in jeweiligen Wohnvierteln an. Auch jüdische Gemeinden ließen sich in einzelnen Straßen oder ganzen Stadtvierteln nieder. Jüdinnen und Juden lebten jedoch nicht gänzlich abgeschottet von ihrer christlichen Umwelt außerhalb der Stadtmauern in abgeschlossenen Wohnvierteln. Mittelalterliche Judengassen oder -viertel waren nicht gänzlich abgegrenzt und über mehrere Jahrhunderte lebten Juden und Christen zusammen.
Frankfurter Judengasse
Die zum Teil abgeschlossenen Wohnbezirke entstanden erst Ende des 15. Jahrhunderts. Eines der bekanntesten Beispiele ist die 1462 errichtete Frankfurter Judengasse. Die gesonderte Unterbringung versprach den jüdischen Frankfurtern zwar ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht, war aber mit einer Vielzahl weiterer Beschränkungen verbunden.
Pestpogrome
Mit Ausbruch der Pest kam es in Europa zu unzähligen Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung. Ihnen wurde unter anderem vorgeworfen, die Brunnen und das Trinkwasser vergiftet zu haben, sie wurden zum Sündenbock erklärt und seien verantwortlich für die nicht aufzuhaltende Pest.
Zahlreiche jüdische Gemeinden wie Worms, Köln, Mainz, Trier und Koblenz wurden zerstört. An vielen Orten kam es zu Auschreitungen noch bevor die Pest sich bis dahin ausbreitete. und beendete das friedliche Zusammenleben schlagartig.
Wucherjuden?
Seit dem Mittelalter ist das Stereotyp des „reichen Juden“ oder auch „Wucherjuden“ bis heute verbreitet. Dies geht darauf zurück, dass angeblich durch das Verbot des Zinshandels für Christen vor allem Juden als Geldleiher arbeiteten. Die christliche Kirche verurteilte zwar den Geldhandel und die Verschuldung von Christen, doch konnte sie nie ein rechtliches allgemeines Zinsverbot für Christen aussprechen.
Holzschnitt 1531
Durch berufliche Einschränkungen im Mittelalter, beispielsweise das Verbot, Mitglied einer Handwerkszunft zu sein, gab es im Vergleich zu christlichen viele jüdische Geldverleiher. Doch die Mehrheit der jüdischen Bevölkerung arbeitete überwiegend im Handel. Darstellungen wie dieser Holzschnitt verbreiteten das Vorurteil des „reichen Juden“.
Alles koscher?
Speiseregeln und GeboteAlles koscher?
In vielen Religionen gibt es Speiseregeln. Sie geben vor, welche Lebensmittel gegessen oder auch wie diese zubereitet werden dürfen. Die jüdischen Speiseregeln heißen „Kaschrut“ („rituelle Einigung“). Lebensmittel werden in koschere („rein“, „geeignet“) und nicht koschere bzw. „treife“ unterteilt. Darüber hinaus gibt es aber auch „neutrale“ Lebensmittel. Darunter fallen pflanzliche Lebensmittel wie Obst, Gemüse und Getreide. Die Speiseregeln beziehen sich jedoch nicht nur auf Lebensmittel – auch die Herstellung von Textilien oder der Umgang und die Schlachtung von Tieren werden beispielsweise beschrieben. Was beinhalten die jüdischen Speisevorschriften und welchen Hintergrund haben sie? Was darf gegessen werden und worauf sollte verzichtet werden? Gibt es Gemeinsamkeiten zu anderen Weltreligionen?
Fleischverzehr
Viele religiöse Speiseregeln beziehen sich auf den Fleischverzehr. So ist es im Christentum geboten, freitags Fisch zu essen. Im Islam gilt Schweinefleisch als unrein und Hinduisten verzichten auf Rindfleisch. Im Judentum dürfen ebenfalls nicht alle Tiere verzehrt werden. Wiederkäuer mit gespaltenen Hufen wie Kühe, Meerestiere mit Schuppen und Flossen oder auch Vögel außer Greifvögeln gelten als koscher und sind erlaubt. Damit scheiden Wild, Krustentiere, fleischfressende Tiere und viele andere aus.
Milch und Fleisch
Besonders in Bezug auf sogenannte milchige und fleischige Lebensmittel gibt es einige Regeln. Milch und Fleisch dürfen etwa weder zusammen gekocht, aufbewahrt noch gegessen werden. So haben etwa viele Kühlschränke zwei Bereiche für milchige und fleischige Lebensmittel oder es wird unterschiedliches Geschirr genutzt.
Weinlese
Nicht nur Lebensmittel selbst unterliegen Speiseregeln – auch die Zubereitung bestimmter Produkte wird in den Kaschrut geregelt. So muss etwa Wein, der koscher sein soll, von Juden angebaut und gekeltert sein. Damit die Weinlese als koscher gilt, wird ein Zehntel des Weines geopfert und auf die Erde gegossen.
Unnötiges Leid vermeiden
Die Vorschrift „Za’ar Ba’alei Chaim“ verbietet es, lebenden Tieren unnötiges Leid zuzufügen. Die Tora verbietet jedoch nicht den Verzehr von Fleisch. Unter Befolgung genauer Anweisungen, insbesondere in Bezug auf die Schlachtung, ist der bedachte Verzehr gestattet. Da das Blut der Schlachttiere nicht verzehrt werden darf, müssen Tiere auf eine bestimmte Art und Weise geschlachtet werden. Das sogenannte Schächten soll dazu dienen, dass das Fleisch kein Tierblut mehr enthält.
Garantiert koscher
Antisemitismus im 19. Jahrhundert
Entstehung des modernen Antisemitismus
Doch die Frage nach der rechtlichen Gleichstellung und die damit verbundenen Auseinandersetzungen änderten nichts an den Vorbehalten und der Diskriminierung gegenüber jüdischen Mitmenschen. Es entstand eine neue Form der Judenfeindschaft, die die vermeintlich wissenschaftlichen Theorien der sogenannten Rassenforschung nutzte. Der gesamten jüdischen Bevölkerung wurden negative Eigenschaften und eine angebliche Übermacht zugeschrieben.
Antijüdische Verbände
Viele Gegner der jüdischen Emanzipation organisierten sich in antisemitischen Vereinen, Verbänden und schließlich auch in Parteien. Allein zwischen 1815 und 1848 publizierten sie über 2.000 antisemitische Schriften zur sogenannten Judenfrage.
Hep-Hep-Auschreitungen
Der neu aufkeimende Antisemitismus gegen Jüdinnen und Juden mündete im 19. Jahrhundert in gewaltsamen Ausschreitungen. 1819 kam es zu den sogenannten Hep-Hep-Unruhen gegen die jüdischen Gemeinden zahlreicher Städte. Die Angriffe gingen überwiegend von Handwerkern, Händlern und auch Studenten aus. Juden wurden beschimpft, bedroht und misshandelt. Zum Teil wurden hierbei ganze Geschäfte und Synagogen zerstört. Die Ausschreitungen konnten nur durch den Einsatz der Staatsgewalt beendet werden.
Zeichnung
Zeichnung zu den Hep-Hep-Ausschreitungen in Frankfurt am Main von Johann Michael Voltz von 1819
Antisemitische Postkarten aus dem Kaiserreich
Im Deutschen Kaiserreich waren antisemitische Vorurteile weitverbreitet. Antisemitische Karikaturen und Bilder wurden vielfach in Zeitungen und Flugblättern abgedruckt.
Auch auf Postkarten wurden antisemitische Texte und Abbildungen abgedruckt, die Juden abwertend darstellten.
Die angebliche "jüdische Weltverschwörung"
In den 1930er-Jahren kooperierte das nationalsozialistische Deutschland mit arabischen Nationalisten und bildete eine gemeinsame Front gegen Großbritannien und Frankreich. Sie zielten darauf ab, die Entstehung eines jüdischen Staates im damaligen britischen Mandatsgebiet Palästina zu verhindern. So gelang ein großer Teil des deutschen Antisemitismus auch in die arabische Welt. Propagandaschriften wie "Die Protokolle der Weisen von Zion" werden bis heute verbreitet.
Auch in heutigen Verschwörungserzählungen wird dieser Mythos aufgegriffen – nicht zuletzt im Rahmen der Covid-19-Pandemie. Auf unzähligen Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen werden antisemitische Codes genutzt und in historischen Vergleichen der Holocaust relativiert. So greifen beispielsweise im Mai 2020 in Stuttgart Demonstranten die angebliche jüdische Verschwörung auf.
Zionismus - eine Reaktion auf den Antisemitismus?
Zionismus: Der Name der jüdischen Nationalbewegung leitet sich vom Namen des Tempelbergs „Zion“ in Jerusalem ab.
Nationalsozialismus
Antisemitismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Im Parteiprogramm der 1920 in München gegründeten Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) spielten antisemitische Positionen von Beginn an eine prägende Rolle. Die Partei setzte sich für den Ausschluss von Juden aus der deutschen Bevölkerung und die Errichtung einer „Volksgemeinschaft“ ein. Adolf Hitler, ab 1921 Parteivorsitzender der NSDAP, knüpfte in seiner erstmals 1925 erschienenen Schrift "Mein Kampf" an bestehende antisemitische Verschwörungserzählungen an. Die jüdische Bevölkerung wurde einerseits als „minderwertig“ bezeichnet und zeitgleich als unmittelbare Bedrohung. Sie sei für die Übel des Kapitalismus sowie die des Kommunismus und die bolschewistischen Gewaltexzesse verantwortlich.
Die antisemitische Propaganda und Politik im Nationalsozialismus führten zu umfassender Diskriminierung und Ausschließung der Jüdinnen und Juden. Im Lauf des Zweiten Weltkriegs fielen über sechs Millionen Menschen der planmäßigen Verfolgung durch den deutschen Staat zum Opfer. Mit diesem Völkermord, häufig als Shoah oder Holocaust bezeichnet, erreichte der Antisemitismus seinen erschütternden historischen Höhepunkt.
Dolchstoßlegende
Nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg verbreitete sich hartnäckig der Mythos der „Dolchstoßlegende“. Demnach sei das deutsche Heer nicht im Kampf gefallen, sondern von der eigenen neuen Regierung nach der Novemberrevolution 1918 verraten worden. Jüdische Bürger wurden zur Zielscheibe von Anschuldigungen. Sie hätten sich vor dem Kriegseinsatz gedrückt, vom Krieg profitiert und seien für die Novemberrevolution und Niederlage verantwortlich.
Reichsbund jüdischer Frontsoldaten
In Reaktion darauf gründeten jüdische Kriegsveteranen den Reichsbund jüdischer Frontsoldaten. Er widmete sich dem Andenken der jüdischen Gefallenen und der öffentlichen Anerkennung der von jüdischen Soldaten für Deutschland erbrachten Opfer.
Machtübernahme NSDAP
Nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler im Januar 1933 wurde der moderne Antisemitismus deutsche Staatsdoktrin. Bereits wenige Monate später wurde die mit der Reichsgründung 1871 hergestellte rechtliche Gleichstellung der Juden aufgehoben. Jüdische Beamte und solche mit jüdischen Vorfahren verloren durch das neu eingeführte Berufsbeamtengesetz ihre Stellung.
Boykott
Ebenfalls im April 1933 führte die Regierung eine Aktion gegen das jüdische Leben in Deutschland durch, indem es für einen Tag den Boykott jüdischer Geschäfte und Dienstleistungen verordnete. Überall in Deutschland kam es infolge der Boykotte auch zu Plünderungen und Gewalt.
Nürnberger Gesetze
Die Nürnberger Gesetze im Jahr 1935 stellten die Grundlage für weitere Entrechtung und Verfolgungen von Jüdinnen und Juden dar. Sie unterteilten die Bevölkerung in sogenannte Deutschblütige, Mischlinge und Juden, entzogen Jüdinnen und Juden Teile ihrer staatsbürgerlichen Rechte und verboten Eheschließung und Geschlechtsverkehr zwischen Juden und Nichtjuden. Juden waren fortan Bürger zweiter Klasse.
Flucht vor Antisemitismus
Einige Familien mussten sich trennen, wieder anderen mangelte es an finanziellen Möglichkeiten zur Flucht. Für die meisten war das Exil der Schritt in eine unsichere und ungewisse Zukunft, für viele ein Trauma. Am zurückgelassenen Besitz und dem Vermögen der Ausreisenden bereicherten sich der deutsche Staat und die deutschen Banken. Auch Nachbarn und andere Interessierte bedienten sich am Besitz der Vertriebenen und später der Deportierten.
Warschauer Ghetto
Deportationen
Völkermord an europäischen Jüdinnen und Juden
Schoah
Shoah und das Gedenken
Die Ermordung und Vertreibung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland stellen bis heute einen wichtigen Bezugspunkt der heutigen Erinnerungskultur dar. Wie soll man mit der eigenen Vergangenheit umgehen und die Verbrechen und Geschehnisse ausarbeiten? Welche Verantwortung leitet sich daraus ab? Nicht zuletzt prägte die nationalsozialistische Vergangenheit die Entstehung und das Selbstverständnis der Bundesrepublik Deutschland und Israels. (Foto: Ministerpräsident David Ben-Gurion verliest die israelische Unabhängigkeitserklärung, 1948)
Erinnerungskulturen: Unter Erinnerungskulturen versteht man, inwiefern sich eine Gruppe, bzw. eine Gesellschaft oder ein einzelnes Individuum mit der Geschichte auseinandersetzt und an die Vergangenheit erinnert. Museen oder Gedenkstätten sind zentrale Orte der Erinnerung und für die Gesellschaft.
Aufarbeitung des Holocaust in Deutschland
1945 gab es noch über acht Millionen NSDAP-Mitglieder. Sowohl in den west- als auch ostdeutschen Besatzungszonen fand unmittelbar nach Kriegsende die sogenannte Entnazifizierung statt. Diese Maßnahmen hatten zum Ziel, sämtliche verbliebenen nationalsozialistischen Einflüsse zu beseitigen.
Die 1949 gegründete Deutsche Demokratische Republik (DDR) bezeichnete sich als antifaschistische Gesellschaft. Somit versuchte sie, sich von den Verbrechen des Vorgängerregimes abzugrenzen, und eine Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit wurde deutlich erschwert. Die Bundesrepublik Deutschland verstand hingegen die umfangreiche Unterstützung Israels durch die BRD als Teil einer „Wiedergutmachung“.
Auschwitz-Prozess
Sechs der Angeklagten wurden zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt, elf erhielten Haftstrafen zwischen drei und 14 Jahren, drei weitere Angeklagte wurden freigesprochen. Die Prozesse führten bei vielen Menschen zum Umdenken im Umgang mit den Verbrechen. Die Prozesse stießen auch eine Debatte im Bundestag an, die letztlich dazu führte, die Verjährungsfrist von Mord aufzuheben.
Die Aufzeichnungen der Prozesse kannst du dir hier anhören.