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Gemeinsame Geschichte(n)

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Foyer

In dieser Ausstellung findest du vielfältige Informationen und Materialien. In fünf Räumen erhältst du anhand von zehn verschiedenen Lebenswegen Einblicke in die deutsch-jüdische Geschichte von 1800 bis 1933. Du kannst entscheiden, welchen Raum du betrittst und welche Themen du dir genauer anschauen möchtest. Durch Scrollen und Wischen kannst du die einzelnen Inhalte anschauen. Auf vielen Bildern siehst du helle Kreise, hier kannst du weitere Informationen zu den Bildern und Inhalten einsehen.

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Über das Projekt

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Historische Einführung

„... Die Armut treibt mich fort ...“  – viele, meist junge Menschen aus Europa blickten im 19. Jahrhundert hoffnungsvoll nach Amerika: Bauern suchten mit ihren Familien Land, Handwerker Arbeit, Demokraten politische Freiheit und Juden wollten Einschränkungen und Vorurteile hinter sich lassen.

Jüdische Lehrlinge fanden kaum Ausbildung bei Handwerksmeistern, denn die Vereinigungen der Handwerker nahmen in der Regel nur Christen auf. In Bayern gab es beispielsweise ein Gesetz, das bis 1861 die Zahl der jüdischen Familien in den einzelnen Gemeinden festschrieb: Viele Jüdinnen und Juden durften sich am Ort ihrer Geburt nicht niederlassen.

Dagegen versprach Amerika Land, Freiheit und ein Ende der Einschränkungen. Mitte des 19. Jahrhunderts lebten etwa 460 000 Jüdinnen und Juden in deutschen Staaten – und viele nahmen Teil an den Auswanderungen in die USA. Schätzungen zufolge waren es 70 000 – 110 000 Jüdinnen und Juden, die zwischen 1845 und 1871 ihre Heimat verließen.
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Nachdem deutschen Jüdinnen und Juden das gesellschaftliche Leben der Weimarer Republik offen gestanden hatte, traf sie die nationalsozialistische Machtübernahme am 30. Januar 1933 hart. Der Aufruf des NS-Regimes zum Boykott jüdischer Geschäfte, Arztpraxen und Anwaltskanzleien am 1. April 1933 war eine klare Drohung an die jüdische Bevölkerung. In den Folgejahren verschärfte das NS-Regime seine antisemitische Politik weiter: Ein Gesetz versperrte Jüdinnen und Juden den Zugang zum Beamtendienst. Die „Nürnberger Rassegesetze“ nahmen ihnen 1935 endgültig alle politischen Rechte.

Auf Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt folgte die Auswanderung: Etwa 38 000 der 530 000 deutschen Jüdinnen und Juden verließen 1933 ihre Heimat. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939 flüchteten etwa 250 000 Jüdinnen und Juden aus dem Deutschen Reich.
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Ende des 19. Jahrhunderts kam es vor allem in Osteuropa zu Verfolgungen und Gewalt an Jüdinnen und Juden. Das war einer der Gründe, weshalb die zionistische Bewegung entstand. Zugleich wuchs im 19. Jahrhundert bei vielen Völkern in Europa (etwa Deutschen, Griechen, Italienern, Polen) der Wunsch, einen eigenen Nationalstaat zu gründen.

Die zionistische Bewegung betrachtete die Juden als ein Volk. Sie hatte zum Ziel, dass Juden in das Land zurückkehren sollten, aus dem ihre Vorfahren in der Antike von den Römern vertrieben worden waren: Palästina. Die Ideen des Zionismus machte vor allem Theodor Herzl in seinem Werk „Der Judenstaat“ (1896) bekannt. Die jüdische Nationalbewegung nannte sich seither „Zionismus“.
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Training für ein neues Leben

Zur Vorbereitung auf das harte Leben im damaligen britischen Mandatsgebiet Palästina diente den jungen Auswanderern die „Hachscharah“ („Ertüchtigung“): Dazu gehörten Kurse in Hebräisch und jüdischer Geschichte, aber vor allem eine landwirtschaftliche oder handwerkliche Ausbildung, um das Land zu besiedeln. Im Deutschen Reich gab es rund 30 Ausbildungsstätten, etwa das Gut Winkel bei Spreenhagen in Brandenburg wie auf diesem Foto aus dem Jahr 1934.

Eine Heimat in Palästina

Doch der Aufbruch nach Palästina brachte den Verlust der Heimat mit sich. Bis 1931/32 fühlten sich die meisten Jüdinnen und Juden als Deutsche. Sie versuchten weiterhin, ihr bisheriges Leben fortzuführen. Die Vereine der zionistischen Bewegung hatten nur 7 500 Mitglieder.
Als die nationalsozialistischen Unterdrückungen aber zunahmen, verachtfachte sich bis 1935 deren Mitgliederzahl. Viele Intellektuelle unterstützten diese Bewegung. Einer der bekanntesten war der deutsche Physiker jüdischer Herkunft, Albert Einstein. Zwischen 1933 und 1941 wanderten etwa 47 000 Jüdinnen und Juden aus dem Deutschen Reich nach Palästina ein.

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Levi Strauss

Die amerikanische Blue Jeans entstand in San Francisco, Kalifornien. Doch ihr Erfinder, Löb „Levi“ Strauss, kam am 26. Februar 1829 in Buttenheim, einem Dorf bei Bamberg, zur Welt. Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Sein Vater, Hirsch Strauss, gehörte wie jeder Fünfte der über 800 Buttenheimer Einwohner zur jüdischen Gemeinde, die eine Synagoge, eine Religionsschule, ein Ritualbad (Mikwe) und einen eigenen Friedhof unterhielt.

Aber die wirtschaftliche Not war groß. Für Juden kamen berufliche und soziale Einschränkungen hinzu. Zwischen 1827 und 1839 wanderte die Hälfte der Buttenheimer Juden aus. Fast alle zog es in die USA, so auch die zwei ältesten Brüder von Löb Strauss, Jonathan und Lipmann.

Schon gewusst? Was heißt ...
Synagoge: Haus der Versammlung, des Gebets und der Lesung aus der Thora. Die Synagoge war und ist religiöser, sozialer und kultureller Mittelpunkt einer jüdischen Gemeinde.
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Damals ...

Das Geburtshaus von Levi Strauss in Buttenheim auf einem Foto um 1900. (Im Vordergrund ist nicht die Familie Strauss zu sehen, sondern andere Einwohner Buttenheims.)

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Das Geburtshaus von Levi Strauss in Buttenheim, auf diesem Foto das Haus mit den blauen Fensterläden, ist eines der wenigen erhalten gebliebenen Objekte aus dem Leben des Unternehmers. 1906 zerstörten ein Erdbeben und die nachfolgenden Brände das Stammhaus des Jeanskonzerns in San Francisco. Nahezu alle Gegenstände aus dem Besitz von Levi Strauss gingen dadurch verloren. 

Tatsächlich wusste bis 1983 niemand mehr, dass Levi Strauss ursprünglich aus Buttenheim kam. Erst ein Brief aus den USA, in dem der Verfasser nach Informationen über das Leben des jungen Levi Strauss recherchierte, rückte das wieder ins Bewusstsein.

Heute gibt es in seinem Geburtshaus ein Levi Strauss Museum. Davor steht eine Bronzestatue der berühmtesten Persönlichkeit des Ortes.
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Als Hirsch Strauss 1846 starb, folgte seine Frau Rebekka mit ihren drei Kindern den beiden Söhnen nach New York. Wie viele Einwanderer amerikanisierte auch die Familie Strauss ihre Vornamen: Aus Jonathan wurde Jonas, aus Lipmann Louis, aus der Schwester Vögela wurde Fanny und Löb hieß nun Levi. Um zu überleben, hatten auch sie mit einem Hausierhandel begonnen, also Haushaltswaren vor der Haustür verkauft.

1848 konnten sie in der Lower East Side von New York ein eigenes Geschäft eröffnen. Ein Leben zwischen den „Sweatshops“, den beengten, kleinen Nähereien der Einwandererviertel, schien ihr Schicksal zu werden. Levi Strauss half, die Waren seiner Brüder zu verkaufen.

Die Hester Street auf diesem Foto war das Herzstück der jüdischen Gemeinde der Lower East Side. Das Foto entstand um 1900. Zu diesem Zeitpunkt hatte Levi Strauss die Metropole beinahe 50 Jahre verlassen. 
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Kurz nachdem Levi Strauss die US-amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen hatte, ging er 1853 nach San Francisco, wo Goldfunde Tausende von Menschen anlockten und Aufbruchstimmung herrschte. In San Francisco gründete er ein Handelshaus für Stoffe und Kurzwaren.

Im Angebot hatte Levi Strauss alles, was die Minenarbeiter und Goldsucher an der Westküste zum Leben brauchten: Nadel und Faden, Hosenträger, Zahnbürsten, Arbeitskleidung und auch den Sonntagsanzug. Die Waren kamen von den Brüdern in New York. Levi Strauss folgten Fanny mit Familie, Louis und wahrscheinlich Mutter Rebekka 1856, weil sein Geschäft florierte und er vermutlich Hilfe brauchte.

Diese Aufnahme zeigt den Hafen von San Francisco in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Durch den „Goldrausch“ erlebte die Stadt einen großen Handelsaufschwung. Der Hafen dominierte an der amerikanischen Westküste Verfrachtung und Verkehr.
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Die Geburtsstunde der Jeans

Goldsucher, Minenarbeiter und Farmer brauchten robuste Arbeitskleidung. Zunächst verkaufte Levi Strauss strapazierfähige Stoffe zum Selbstnähen der Kleidung. Doch dann machte ihm Jakob Davis, ein Schneider jüdischer Herkunft aus Riga, ein Angebot: Zur Verstärkung der Hosennähte setzte er Metallnieten ein. Aber für einen Patentschutz fehlten ihm die finanziellen Mittel. Levi Strauss hatte sie. Am 20. Mai 1873 erhielten Davies und Strauss ihr Patent auf die genieteten Kleidungsstücke.

Der Jeansstoff Denim

Die Hosen gab es aus einem „Duck“ genannten Baumwollstoff (niederländisch doek, „Tuch“) und in einer diagonalen, stabilen Webart, die wahrscheinlich nach ihrer Herkunft in Südfrankreich benannt ist: „de Nîmes", in amerikanischer Schreibweise: „Denim“.

„Die Hose mit den zwei Pferden“

Im Juni 1873 kamen die ersten „Blue Jeans“ in San Francisco in den Verkauf. Ab 1886 wies das Lederettikett mit den zwei Pferden auf die garantierte Qualität jeder Jeanshose hin - bis heute. Das Markenzeichen wie hier auf diesem Werbeplakat war mit Bedacht gewählt. Es verstanden auch Kunden, die nicht lesen konnten oder kein Englisch sprachen.

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Eine frühe Fotoaufnahme

Nur ein Mann trug zumindest öffentlich niemals eine „Leviʼs“, wie sie bald liebevoll getauft wurde: Levi Strauss selbst. Fotos wie dieses aus den 1850er-Jahren zeigen ihn meist im schwarzen Geschäftsanzug mit weißem Hemd und Zylinder.

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Levi Strauss trat in San Francisco der jüdischen Gemeinde „Emanu El“ bei. Sie war von bayerischen Juden gegründet worden. Zum Gemeindeleben zählten Gottesdienste und eine Stiftung, die Fürsorge für Durchreisende, arme und kranke Gemeindemitglieder sowie Stadtbewohner leistete.

Strauss, mittlerweile ein wohlhabender Unternehmer, war auch Mitglied der gemeinnützigen Stiftung „Eureka“. Als er etwa erfuhr, dass die Bibliothek der Universität von Berkeley in Kalifornien wegen fehlender Beleuchtung schon am späten Nachmittag schließen musste, spendete er mit drei Geschäftsfreunden 1 000 US-Dollar (nach heutiger Kaufkraft etwa 28 000 US-Dollar). So konnte das Gebäude mit elektrischem Licht versorgt werden. Und als dieselbe Universität 1897 28 Stipendien für Studierende aus armen Familien einrichtete – Männer und Frauen –, bot Strauss an, die Zahl der Stipendien zu verdoppeln. Noch heute werden jedes Jahr 28 Levi-Strauss-Stipendien vergeben.

Als Levi Strauss am 26. September 1902 starb, zählte er zu den angesehensten Persönlichkeiten der Stadt.
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Schon 1867 befand sich das Handelshaus von „ Levi Strauss & Co.“ in der Battery Street in San Francisco, wo heute noch die Konzernzentrale steht. Das Foto entstand Ende des 19. Jahrhunderts, als sich Levi Strauss auf dem Jeansmarkt etabliert hatte. Er beschäftigte Hunderte von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Leitung seines Unternehmens übertrug Levi Strauss immer mehr seinen Neffen, da er sich anderen Interessen zuwandte. Eigene Kinder hatte er nicht.

In den USA setzte der Siegeszug der Jeans erst viele Jahre nach dem Tod von Levi Strauss in den 1930er-Jahren ein. In Europa wurde die blaube Arbeitshose nach dem Zweiten Weltkrieg bekannt.

Heute arbeiten für den Bekleidungskonzern weltweit Zehntausende von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
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Historische Einführung

Das 19. Jahrhundert war in Deutschland und Europa von gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen geprägt. Das Bürgertum gewann in Politik, Wirtschaft und Kultur an Einfluss (mehr dazu hier).

Bürger und vereinzelt auch Bürgerinnen jüdischer Herkunft gestalteten diese Veränderungen mit. Bekannt sind etwa der Komponist Felix Mendelssohn-Bartholdy, der Maler Moritz Daniel Oppenheim oder der Dichter Heinrich Heine. Bekannt ist auch Rahel Varnhagen-Levin, die in ihrem Berliner Salon nicht nur den gleichberechtigten Dialog zwischen Juden und Christen, sondern auch zwischen Männern und Frauen förderte. Immer wieder wurden diese Annäherungen von Ausgrenzung und Judenfeindschaft begleitet. Der Komponist Richard Wagner schrieb 1850 seinen antijüdischen Aufsatz „Das Judentum in der Musik“ mit der Absicht, „den Einfluss der Juden auf unsere Musik mit Aussicht auf Erfolg … zu bekämpfen“.

Die Radierung von Erich M. Simon (1892–1927) zeigt die Wohnung der Familie Varnhagen in Berlin. Dort kamen Gäste aus dem Adel und dem aufstrebenden Bürgertum zusammen. Ein Besucher war Heinrich Heine.
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Gelehrte auf Augenhöhe

Der Komponist jüdischer Herkunft, Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847, rechte Bildhälfte) und der Dichter Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832). Das Gemälde malte Moritz Daniel Oppenheim 1864/65 als Beispiel für gelungene Emanzipation.

Schon gewusst? Was heißt ...

Emanzipation: Dieser Begriff meint so etwas wie „Befreiung“ oder auch „Gleichstellung“, hauptsächlich von Personengruppen, die rechtlich benachteiligt werden. Die jüdische Emanzipation beschreibt die Entwicklung von Jüdinnen und Juden von einer sozialen und religiösen Randgruppe zu rechtlich gleichgestellten Mitgliedern einer Gesellschaft.

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In den 1920er-Jahren erlebten Kunst und Kultur eine große Blüte. Besonders in Großstädten wie Berlin entwickelte sich eine vielfältige Kulturszene und ein wildes Nachtleben. Neben Büchern, Zeitungen und Zeitschriften boomte die Filmszene. Das neu erfundene Radio war beliebt und einflussreich. Moderne Musikrichtungen aus den USA wie Jazz und Swing eroberten die Großstädte.

Wie schon zur Zeit des Deutschen Kaiserreichs hatten Jüdinnen und Juden an den künstlerischen, kulturellen und wissenschaftlichen Leistungen der Weimarer Republik großen Anteil. Der Maler Max Liebermann, die Dichterin Else Lasker-Schüler, der Physiker Gustav Hertz, der Autor Kurt Tucholsky und der Komponist Kurt Weill sind nur einige wenige Beispiele. Gleichzeitig nahm antisemitische Propaganda zu, die jüdische Beiträge zu Kunst, Kultur und Wissenschaft als „entartet“ herabwürdigte. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten erhielten viele deutsche Jüdinnen und Juden Arbeitsverbot und mussten daher auswandern.
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Stark, kämpferisch, heldenhaft

Der deutsch-jüdische Bildhauer Benno Elkan (1877–1960) schuf 1925 den Chanukkaleuchter „Die fünf Makkabäer“. Er stellt fünf Juden als starke und kämpferische Helden dar und widerspricht so ihrer gängigen Rolle als unterlegene Schwächlinge.

Schon gewusst? Was heißt ...

Makkabäer: Die Makkabäer waren eine Gruppe jüdischer Kämpfer, die vor über 2000 Jahren ihre Heimat von der griechischen Herrschaft befreien wollten. Durch ihren Sieg konnte der Tempel in Jerusalem wieder eingeweiht werden. Das jüdische Chanukkafest erinnert jedes Jahr an dieses Ereignis. Viele jüdische Sportvereine heißen heute „Makkabi“ nach den Makkabäern.

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Der deutsche Stummfilm „Metropolis“ aus dem Jahr 1927 gilt als erstes monumentales Science-Fiction-Epos und hat Filmgeschichte geschrieben.

Der Regisseur des Films, Fritz Lang (1890–1976), hatte eine jüdische Mutter, die schon vor seiner Geburt den katholischen Glauben angenommen hatte. Lang lebte in Wien und Berlin. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 wanderte er aus. Über Frankreich führte ihn sein Weg in die USA. Auch dort war er ein erfolgreicher Drehbuchautor und Regisseur.
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Ein Trailer von „Metropolis“ (hochgeladen am 11.Dezember 2017 von „Movieclips Classic Trailers“).

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Ausstellungsraum 2

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Albert Einstein

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„Sterne am Himmel alle verschoben [...] Einsteins Theorie triumphiert [...].“ Mit dieser Sensationsmeldung feierte die „New York Times“ den deutschen Physiker Albert Einstein am 10. November 1919. In einer aufwändigen Expedition hatte der Astronom Arthur Eddington eine Sonnenfinsternis fotografiert und so Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie bewiesen. Einsteins Forschungen veränderten die Vorstellung von Raum und Zeit. Den Nobelpreis für Physik bekam er 1922 aber nicht für diese bahnbrechende Theorie, sondern für seine Arbeiten zur Quantenphysik.

Diese Auszeichnung hob nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg das Ansehen der deutschen Wissenschaft. Mit Albert Einstein galt sie einem Mann, der sich auch für Völkerfrieden und demokratische Werte einsetzte. Er hätte zu einer Leitfigur der Weimarer Republik werden können, aber in seinem Heimatland stieß er auf widersprüchliche Reaktionen. Wegen seiner jüdischen Herkunft nahmen auch die antisemitischen Anfeindungen gegen ihn als Person und Wissenschaftler zu.
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Was besagt Albert Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie? Ein Video erklärt seine bahnbrechenden Forschungen (hochgeladen am 10. November 2015 von „youknow“).

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Kindheit und Jugend

Albert Einstein kam am 14. März 1879 in Ulm zur Welt. Seine Eltern Hermann und Pauline Einstein waren assimilierte deutschen Juden. Einstein besuchte als Schüler katholische und öffentliche Schulen. Die jüdische Religion lernte er im Privatunterricht kennen, konnte sich damit aber nicht identifizieren.

Hinwendung zum Zionismus

1921 erklärte Einstein in einem Zeitungsartikel für die „Jüdische Rundschau“, er habe seine jüdischen Wurzeln erst in dem Moment wahrgenommen, als er 1914 in Berlin auf antisemitische Anfeindungen und die Not armer, aus Osteuropa geflohener jüdischer Studenten gestoßen sei: „Zusammen mit einigen Kollegen, Juden und Nichtjuden, veranstaltete ich Universitätskurse für Ostjuden, und ich möchte hinzufügen, dass wir in dieser Tätigkeit die offizielle Anerkennung und volle Unterstützung seitens des preußischen Unterrichtsministeriums genossen. Diese und ähnliche Erlebnisse haben in mir das jüdische nationale Gefühl geweckt. […] Das war das Hauptmotiv meines Anschlusses an die zionistische Bewegung.“

Schon gewusst? Was heißt ...

Ostjuden: Bezeichnung für Jüdinnen und Juden aus dem Russischen Kaiserreich, die zwischen 1881 und 1914 infolge von Pogromen und auch aus Armut auswanderten, überwiegend in die USA, aber auch ins Deutsche Reich. So entstand zu dieser Zeit etwa in Berlin ein großes jüdisches Viertel.

Jüdische Universitäten

Weil Juden die Mitgliedschaft in fast allen Studentenvereinigungen verschlossen war, gründeten sie Ende des 19. Jahrhunderts eigene Verbindungen. Auf diesem Foto vom 27. Februar 1924 sprach Albert Einstein auf der jüdischen Studentenkonferenz in Berlin. Vertreter jüdischer Studentenverbindungen berieten, wie jüdische Studentinnen und Studenten aus Osteuropa unterstützt werden konnten. Sie waren oft sehr arm und es gab Zulassungsbeschränkungen für die Aufnahme an Universitäten. Einstein sprach sich daher für die Gründung jüdischer Universitäten in Palästina, in Deutschland und in der Schweiz aus.

Schon gewusst? Was heißt ...

Assimilation: Bedeutet „Angleichung“ oder „Anpassung“. Assimilierte Jüdinnen und Juden versuchten, sich durch Übernahme von Verhaltensnormen und Lebensweisen an die christliche Mehrheitsgesellschaft anzupassen. Religiöse Belange traten dabei oft in den Hintergrund, die staatsbürgerliche Identifikation in den Vordergrund.

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„Die in Deutschland gegenwärtig herrschenden Umstände veranlassen mich, meine Stellung bei der Preußischen Akademie der Wissenschaften hiermit niederzulegen. Die Akademie hat mir 19 Jahre lang die Möglichkeit gegeben, mich frei von jeder beruflichen Verpflichtung wissenschaftlicher Arbeit zu widmen. Ich weiß, in wie hohem Maße ich ihr zu Dank verpflichtet bin. Ungern scheide ich aus ihrem Kreise ...“

Mit diesen Worten kam Albert Einstein, der gegen die Menschenrechtsverletzungen im nationalsozialistischen Deutschen Reich protestiert hatte, am 28. März 1933 seinem Ausschluss aus der Akademie zuvor. Am 10. Mai 1933 fanden reichsweit Bücherverbrennungen von Schriften politisch Andersdenkender sowie jüdischer Autorinnen und Autoren statt. Darunter waren auch Einsteins Werke.

Nach einer ersten Reise in die USA 1931 entschied sich Einstein 1933 zur Auswanderung dorthin. Als international gefragter Wissenschaftler nahm er das Angebot einer Professur an der angesehenen Universität Princeton in den USA an.
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Macht und Ohnmacht der Wissenschaft

1938 entdeckten Physiker in Berlin die Kernspaltung. Der in die USA ausgewanderte Physiker Leó Szilárd befürchtete, dass diese Entdeckung von den Nationalsozialisten zum Bau von Atombomben genutzt werden könnte. Auf sein Drängen warnte Einstein den US-Präsidenten Franklin Delano Roosevelt in einem Brief vom 2. August 1939 davor. In der Folge waren es die USA, denen die Entwicklung der Atombombe durch das „Manhattan-Projekt“ gelang – ohne den Einfluss Einsteins. Als sich im Frühjahr 1945 der Sieg über den Nationalsozialismus im Zweiten Weltkrieg abzeichnete, mahnte Einstein den US-Präsidenten am 25. März 1945 vor den künftigen Gefahren von Atomwaffen. Die Abwürfe der Atombomben über den japanischen Städten Hiroshima und Nagasaki durch die US-Luftwaffe im August 1945 trafen Einstein schwer.

Eine Welt – oder keine

Nach dem verheerenden Abwürfen der Atombomben über Hiroshima und Nagasaki entstand 1946 die Schrift „One World Or None“. Einstein und andere renommierte Wissenschaftler warnten darin vor den Gefahren der atomaren Aufrüstung. Sie forderten eine friedliche Nutzung der Atomenegie. Hier zu sehen ist das Buchcover einer Neuauflage. Die Originalausgabe war ein Bestseller und verkaufte sich etwa 100 000 Mal. Einstein verzieh es sich nie, dass er zu Beginn des Zweiten Weltkrieges für den Bau einer Atombombe geworben hatte.

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Pazifist, Intellektueller, Ikone

Albert Einstein prägte auch die Rolle eines Intellektuellen, der sich in vielen Bereichen engagierte. In den Jahren der nationalsozialistischen Besatzung Europas setzte er sich für die Einreise politisch Geflüchteter in die USA ein. Die Rassentrennung in den USA lehnte er nach den Erfahrungen von Rassismus und Antisemitismus in seiner alten Heimat strikt ab. Im Magazin „Pageant“ schrieb er: „Ich kann dem Gefühl der Komplizenschaft [kriminelle Gemeinsamkeit] nur entkommen, wenn ich darüber spreche.“ Er hielt Vorlesungen für afroamerikanische Studierende der Lincoln Universität in Pennsylvania. Der Einsatz für Frieden und Bürgerrechte bis zum zivilen Ungehorsam machte Albert Einstein über seinen Tod am 18. April 1955 hinaus zu einer Leitfigur der Popkultur.

Wie kam es zum „Zungenfoto“?

Pressefotografen verfolgten Albert Einstein am Abend seines 72. Geburtstags am 14. März 1951 in Princeton bis zur Abfahrt im Auto. Entnervt streckte er die Zunge heraus – und der Fotograf Arthur Sasse drückte auf den Auslöser seines Apparats. Der Schnappschuss machte Einstein endgültig zur Freiheitsikone. Es stand für seine Bereitschaft, sich nicht anzupassen und Unrecht anzuklagen.

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Präsident Israels?

1951 besuchte der damalige israelische Ministerpräsident David Ben Gurion Albert Einstein in Princeton. 1952 bot er ihm an, Präsident Israels zu werden – was Einstein aber dankend ablehnte.

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Moritz Daniel Oppenheim

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Moritz Daniel Oppenheim kam 1800 in Hanau zur Welt und wuchs im dortigen Ghetto auf. Seine Eltern legten viel Wert auf Bildung. Neben einer traditionell jüdisch-religiösen Erziehung war ihnen auch die deutsche Kultur sehr wichtig. Sie erkannten früh sein künstlerisches Talent und schickten ihn mit zehn Jahren in die Hanauer Zeichenakademie. Ab 1818 studierte er in München Malerei, gefolgt von Paris und Rom. Er war damit der erste jüdische Künstler, der eine akademische Ausbildung erhielt.

Schon gewusst? Was heißt ...
Ghetto: Eine abgeschlossene Wohneinheit oder ein abgetrenntes Wohnviertel, in dem die jüdische Bevölkerung gegen ihren Willen abgetrennt von der übrigen Bevölkerung nach eigenen Regeln lebte. Ab dem 16. Jahrhundert nannte man sie Ghettos. Nach der Französischen Revolution wurden sie nach und nach abgeschafft.

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Ein selbstbewusstes jüdisches Bürgerpaar

Als Moritz Daniel Oppenheim 1825 nach seinen Aufenthalten in Frankreich und Italien nach Frankfurt zurückkehrte, war er ein erfolgreicher Mann – nicht zuletzt, da er zum Haus- und Hofmaler der Familie Rothschild aufstieg. Mit seinen „Bildern aus dem altjüdischen Familienleben“ gelang es ihm, auch dem nichtjüdischen Publikum Religion und Kultur des Judentums nahezubringen. Gleichzeitig zeigte er sich und andere jüdische Persönlichkeiten in seinen Porträts gern als selbstbewusste Mitglieder der deutschen Gesellschaft – so wie auf diesem Gemälde von 1829, auf dem Oppenheim sich und seine erste Frau Adelheid malte. 1851 erhielt Oppenheim das Frankfurter Bürgerrecht, was aber mit vielen Entbehrungen verbunden war. Das Bürgerrecht war in vielen Städten noch immer an den christlichen Glauben gebunden.

Schon gewusst? Was heißt ...

Rothschild: Die jüdische Familie Rothschild stammt aus dem Frankfurter Ghetto, der sogenannten Judengasse. Mayer Amschel Rothschild gründete um 1800 ein Bankhaus, das weltbekannt und sehr erfolgreich wurde. Neben Frankfurt gab es Niederlassungen in Wien, London, Paris und Neapel. Die Rothschilds spielten über das Finanzwesen hinaus eine bedeutende Rolle. Sie gestalteten unter anderem durch zahlreiche Stiftungen gesellschaftliche Teilbereiche wie Kultur, Gesundheits- und Verkehrswesen. Auch politisch und industriell engagierten sie sich.

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Kraftvoll und selbstbewusst

Oppenheim malte das Gemälde „Moses mit den Gesetzestafeln“ 1817/18 mit 17 Jahren, während seiner Ausbildung in München. Mose gilt als Stifter der jüdischen Religion. Die Bibel berichtet, dass er das Volk Israel aus der Sklaverei in Ägypten zurück in ihre Heimat geführt hat. Während dieser Wanderung schließt er einen Bund mit Gott und erhält von ihm wichtige Gesetze, allen voran die Zehn Gebote. Auf dem monumentalen Bild ist Mose mit den Gesetzestafeln dargestellt. Er wirkt kraftvoll und selbstbewusst. Oppenheim stellt einen starken Mose dar und will damit auch seinen jüdischen Zeitgenossen bei ihrem Kampf um Emanzipation Stärke vermitteln.

Schon gewusst? Was heißt ...

Emanzipation: Dieser Begriff meint so etwas wie „Befreiung“ oder auch „Gleichstellung“, hauptsächlich von Personengruppen, die rechtlich benachteiligt werden. Die jüdische Emanzipation beschreibt die Entwicklung von Jüdinnen und Juden von einer sozialen und religiösen Randgruppe zu rechtlich gleichgestellten Mitgliedern einer Gesellschaft.

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Zelte

Im Hintergrund sind die Zelte zu sehen, in denen das Volk Israel während der Wanderung durch die Wüste gewohnt hat. Diese Reise dauerte laut Bibel vierzig Jahre.

Zehn Gebote

Die Bibel berichtet, dass Mose auf Steintafeln die Zehn Gebote erhalten hat. Sie regeln das Zusammenleben der Menschen untereinander und mit Gott.

Strahlen

Die Bibel berichtet, dass das Gesicht von Mose strahlte, als er von der Begegnung mit Gott zurückkehrte. Bei der Übersetzung des Textes ins Lateinische ist ein Fehler passiert und aus den Strahlen wurden Hörner. Deswegen ist Mose in der Kunst manchmal mit Hörnern dargestellt. Oppenheim konnte Hebräisch und hat seinen Mose mit Strahlen gemalt.

Jugendlichkeit

Oppenheim hat einen jungen Mann gemalt – kraftstrotzend, voller Leben, mit dunklen Haaren und durchdringendem Blick. In der christlichen Kunst taucht Mose dagegen oft als alter Mann mit weißem Bart auf.

Hebräische Schrift

Die Zehn Gebote sind auf Hebräisch geschrieben, der Sprache der Bibel. Mose zeigt auf das Gebot: „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.“ Das Judentum ist die erste monotheistische Religion (monos = allein, theos = Gott). Sie verehrt nicht viele, sondern einen Gott.

Maße des Bildes

Das Bild ist sehr groß, nämlich 217 x 149 cm. Oppenheim stellt Mose als monumentale Figur dar, ein Zeichen von jüdischem Selbstbewusstsein. Der Stil und das monumentale Format der Moses-Darstellung zielen darauf ab, die jüdische Tradition in die christlich geprägte Historienmalerei zu integrieren.

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Kein Widerspruch – jüdische Tradition ...

Oppenheims Gemälde „Die Rückkehr des jüdischen Freiwilligen aus den Befreiungskriegen zu den nach alter Sitte lebenden Seinen“ (1833/34) zeigt einen jungen jüdischen Soldaten, der zur Zeit der Befreiungskriege (1813–1815) für Preußen gegen die Truppen Napoleons gekämpft hat und nun zu seiner Familie zurückkehrt.

... und deutscher Patriotismus

Details verraten, dass der Heimkehrer am Sabbat angekommen ist – am traditionellen jüdischen Ruhetag. Streng genommen verletzt er damit das wichtige Gesetz der Sabbatruhe. Während die Geschwister das nicht stört, blickt der Vater skeptisch auf seinen Sohn und das ihm für seinen Kriegsdienst verliehene Eiserne Kreuz am Bande – ein ursprünglich christliches Symbol. Auch die jüdischen Soldaten waren bereit, für das Land, in dem sie lebten, zu kämpfen – obwohl sie nicht die gleichen Rechte wie ihre nichtjüdischen Kameraden hatten.

Schon gewusst? Was heißt ...

Befreiungskriege: Bezeichnung des Kriegs der Koalition, bestehend aus Preußen, Österreich, Russland, Schweden und Großbritannien gegen Napoleons „Grande Armée“ aus deutscher Sicht. Bei vielen Deutschen – Juden und Nichtjuden – verstärkten diese Kriege den Wunsch nach nationaler Zusammengehörigkeit.

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Säbel und Tschako

Säbel und Tschako (militärische Kopfbedeckung) des Heimkehrers

Misrach-Tafel

Sie zeigt die jüdische Gebetsrichtung gen Osten, in Richtung Jerusalem an.

Chanukkawandleuchter

Er wird für die Chanukkafeier benötigt. Juden erinnern damit an die Rückeroberung des Tempels von Jerusalem durch die Makkabäer in der Antike.

Öllampe für die Sabbatfeier

Im Judentum ist der Sabbat ein heiliger und arbeitsfreier Tag. Er beginnt jede Woche am Freitagabend und endet am Samstagabend.

Kiddusch-Becher

Ein Becher Wein und zwei meist geflochtene Festtagsbrote (Challot) gehören zur Sabbat-Zeremonie am Freitagabend. Nach einem Segensspruch über Wein und Brot, dem Kiddusch, folgt die eigentliche Sabbat-Mahlzeit.

Talmud

Der jüdische Gebetstext Talmud gibt Juden Antworten auf alle wichtigen Fragen ihres Glaubens.

Uniform

Die Uniform weist den Heimkehrer als Husar der Königlich Preußischen Armee aus. Das Eiserne Kreuz stiftete der preußische König für hervorragende Leistungen während der Kriege gegen Napoleon.

Gemälde Friedrich II.

Gemälde des Königs von Preußen, Friedrich II., „der Große“ genannt

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Auf Oppenheims Spuren

Als Moritz Daniel Oppenheim 1882 in Frankfurt starb, blickte er auf ein langes Leben zurück. Es war geprägt durch den langen und schwierigen Prozess der Emanzipation. Er ist vielen berühmten Persönlichkeiten seiner Zeit begegnet, von zahlreichen fertigte er Porträts an. Seine Eltern ermöglichten ihm Bildung, sein Talent machte ihn zu einem erfolgreichen und populären Mann. Aber auch er wurde von Antijudaismus nicht verschont. 1824 nahm er an einem Zeichenwettbewerb in Rom teil und sollte den ersten Preis bekommen. Als bekannt wurde, dass es sich bei Oppenheim um einen jüdischen Künstler handelte, wurde ihm der Preis aberkannt. Trotz dieser Erfahrungen kam für Oppenheim nie infrage, sich zum Christentum zu bekehren und taufen zu lassen. Er blieb sein Leben lang seiner jüdischen Identität treu.

Schon gewusst? Was heißt ...

Antijudaismus: Die Bezeichnung „Antijudaismus“ meint Ablehnung und Feindschaft gegenüber Jüdinnen und Juden, im Gegensatz zum Antisemitismus hauptsächlich aus religiösen oder wirtschaftlichen Gründen.

In Hanau verewigt

Der Bildhauer Robert Schad realisierte 2015 mit seinem Kollegen Pascal Coupot das Moritz Daniel Oppenheim-Denkmal „Moritz und das tanzende Bild“ auf dem Hanauer Freiheitsplatz, dem heutigen Forum Hanau.

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Jüdisches Leben in Deutschland

„Das Levi-Strauss-Museum gibt es seit dem Jahr 2000. Und klar, die Dauerausstellung stellt Levi Strauss vor allem als Jeans-Pionier vor. Aber auch die jüdischen Wurzeln der Familie und die jüdische Geschichte seines Geburtsortes sind ein fester Bestandteil davon. Als Levi Strauss in Buttenheim lebte, war etwa jeder Fünfte der 822 Einwohner jüdischen Glaubens. Im Museum informiert ein Ortsplan über das jüdische Gemeindeleben. Wo standen die Häuser jüdischer Bewohner? Wo befand sich die Synagoge, die bis 1892 genutzt wurde? Wo war die Religionsschule? Auch außerhalb des Museums ist die jüdische Geschichte des Ortes präsent. Seit etwa zehn Jahren gibt es historische Rundgänge und Ferienprogramme für Schulklassen. Sie besichtigen unter anderem den jüdischen Friedhof mit seinen ca. 280 Grabsteinen. Dort liegen auch Levis Vater Hirsch Strauss und dessen erste Frau Madel begraben.“

Dr. Tanja Roppelt, Leiterin des Levi-Strauss-Museums in Buttenheim
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Austellungsraum 5

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Anni Albers

Annelise „Anni“ Fleischmann, 1899 in Berlin geboren, stammt aus einer jüdischen Familie. Als Kind wurde sie evangelisch getauft. Mit 17 Jahren begann sie eine dreijährige akademische Ausbildung an einer privaten Kunstschule. Die Dresdener Akademie für Malerei gab ihr keine Zulassung, weil sie eine Frau war. 1922 ging sie ans Bauhaus in Weimar.

Von dieser modernen Kunstschule erhoffte sie sich in ihrer beruflichen Entfaltung Gleichberechtigung. Aber das war ein Irrtum. Albers wurde in der Weberei eingesetzt, wie viele ihrer Kolleginnen. Sie fand diese Tätigkeit „weibisch“, doch dann entdeckte sie ihre Leidenschaft für das alte Handwerk. Das Foto zeigt Albers (rechts unten, kniend) mit der Webereiklasse am Bauhaus Dessau um 1927.

Schon gewusst? Was heißt ...
Bauhaus: Das Bauhaus war eine Schule für Kunst und Architektur, und orientierte sich an den Bedürfnissen der Menschen. Die Gestaltung der Gebäude und die Inneneinrichtung sollten zweckmäßig, einfach zu nutzen und preiswert sein.
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Einen Mini-Webrahmen selbst machen? Dieses Video erklärt, wie es funktioniert (hochgeladen am 24. April 2020 von „BassenaStuwerviertel“).

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Vollbild
Anni Albers‘ Karriere begann am Bauhaus. Diese Kunst-, Design- und Architekturschule gründete Walter Gropius 1919 in Weimar. Lehrer und Schüler hießen hier „Meister“ und „Lehrlinge“. Statt Klassen gab es Werkstätten. Ein Unterschied zwischen freien und angewandten Künsten wurde nicht gemacht. So galt zum Beispiel ein Stuhl ebenso als Kunstwerk wie ein Gemälde.

Anfangs gab es mehr weibliche als männliche Studierende. Meister und Lehrlinge lebten und arbeiteten eng zusammen. Sie feierten gern, vor allem Kostümfeste. Mit den Jahren fürchteten einige Männer die Konkurrenz der begabten Frauen. So änderte das Aufnahmegremium, das aus Männern bestand, die Regeln. Seither studierten deutlich mehr Männer als Frauen am Bauhaus. Nach erfolgreichen Jahren in Dessau zog das Bauhaus 1932 nach Berlin. Dort löste es sich 1933 unter dem Druck der Nationalsozialisten auf.

Schon gewusst? Was heißt ...
Freie und angewandte Kunst: Lange Zeit wurden Kunstwerke in zwei Kategorien unterteilt. Werke der freien Künste, etwa ein Gemälde oder eine Skulptur, können betrachtet, analysiert und diskutiert werden. Angewandte Kunstwerke hingegen werden benutzt. Beispiele dafür können ein Möbelstück oder eine Vase sein. Lange Zeit hielt man die freien Künste für hochwertiger als die angewandten. Diese Auffassung begann sich Mitte des 19. Jahrhunderts zu ändern.
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Vom Bauhaus in die Welt

Am Bauhaus fand Anni Albers ihre große Liebe, den Maler Josef Albers. Sie heirateten 1925. Die nationalsozialistische Machtübernahme 1933 veränderte auch ihr Leben grundlegend. Das Paar wanderte in die USA aus. Dort arbeiteten beide an der angesehenen Kunsthochschule „Black Mountain College“ in North Carolina, die das Bauhaus zum Vorbild hatte. Anni Albers entwickelte dort ihre Webkunst weiter. Sie arbeitete auch als Druckgrafikerin und Schmuckdesignerin. Sie verstarb 1994 in den USA.

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Vollbild
Für Anni Albers spielte ihre jüdische Herkunft bis 1933 kaum eine Rolle. Einmal erzählte sie, dass sie seit ihrer Kindheit keine Synagoge mehr besucht habe. Die nationalsozialistischen Rassengesetze machten sie zu einer Jüdin. Doch sie konnte 1933 mit ihrem Mann das nationalsozialistische Deutsche Reich verlassen.

Erst in den USA beschäftigte sich Albers mit jüdischen Themen. Sie fertigte einige Thoravorhänge an. Hinter solchen Vorhängen befindet sich das Zentrum der Synagoge, der Schrein mit den Thorarollen. Mitte der 1960er-Jahre beauftragte das Jüdische Museum in New York Albers damit, eine Textilarbeit anzufertigen. Die Arbeit sollte an die sechs Millionen europäischen Jüdinnen und Juden erinnern, die während des Holocaust oder der Schoah ermordet worden waren. Diese Arbeit trägt den Namen „Six Prayers“ („Sechs Gebete“) und gilt als ein Hauptwerk von Anni Albers.

Schon gewusst? Was heißt ...
Synagoge: Haus der Versammlung, des Gebets und der Lesung aus der Thora. Die Synagoge war und ist religiöser, sozialer und kultureller Mittelpunkt einer jüdischen Gemeinde.

Thora: Das wichtigste Schriftstück des Judentums ist die Thora. Dieser Name hat zwei Bedeutungen: Erstens bezeichnet Thora die Regeln, die Jüdinnen und Juden als Gesetze Gottes verstehen und die sie in ihrem Leben verwirklichen sollen. Zweitens sind damit die „Fünf Bücher Mose“ gemeint. Die Thora bildet zusammen mit den Schriften und Aussagen der Propheten die hebräische Bibel. Sie wird bis heute in Form einer Schriftrolle in der Synagoge aufbewahrt.

Holocaust: Das Wort kommt aus dem Griechischen und bedeutet „völlig verbrannt“. Der Begriff steht für den Völkermord an den rund sechs Millionen europäischen Jüdinnen und Juden zur Zeit des Nationalsozialismus.

Schoah/Shoa: Das Wort kommt aus dem Hebräischen und bedeutet „Unheil“ oder „Katastrophe“. Auch dieser Begriff steht für den Völkermord an den rund sechs Millionen europäischen Jüdinnen und Juden zur Zeit des Nationalsozialismus.
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Maße

186,1 × 297,2 cm

Material

Baumwolle, Leinen, Bast und Silberfaden

Farben

Graue, braune und beigefarbene Fäden, Akzente durch silbernes Metallgarn, weiße und schwarze Fäden eingewoben. In jeder Stoffbahn dominiert eine Farbe.

„Six Prayers“

Die sechs Stoffbahnen stehen für die rund sechs Millionen Jüdinnen und Juden, die während des „Holocaust“ oder der „Schoah“ ermordet worden waren. Die Stoffbahnen erinnern an jüdische Gebetsschals (six prayers = „sechs Gebete“ oder „sechs Betende“).

Abstraktion

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wandte sich die Kunst mehr und mehr vom Abbilden des Sichtbaren ab. Auch bei „Six Prayers“ lassen sich keine Gegenstände oder Figuren erkennen. Vielmehr sollen durch Farben und Formen Stimmungen und Gefühle vermittelt werden.

Linien und Wellen

Albers benutzt die Fäden, um den Effekt von Schriftzeichen zu erzeugen, von heiligen Texten, von Gebeten. Gleichzeitig stehen sie für die vielen miteinander verwobenen und auch voneinander getrennten und erloschenen Leben. An sie soll das Kunstwerk erinnern.

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Anni Albers war eine bedeutende Textilkünstlerin. Mit ihren Webarbeiten hat sie eine alte Handwerkstechnik zur Kunstform erhoben. Sie hat immer wieder versucht, die Grenze zwischen Kunst und Handwerk aufzuheben. Das wird auch an ihren Schmuckstücken sichtbar, die sie aus Alltagsgegenständen wie Büroklammern herstellte. Ihre Bauhaus-Designs inspirieren Modeschöpfer noch heute.

Albers steht für die Emanzipation der Frau in Studium und Beruf und für ein innovatives Kunstverständnis. Gleichzeitig ist sie eine der vielen Künstlerinnen und Künstler, die wegen ihrer jüdischen Herkunft 1933 ihre Heimat verlassen musste. (Im Bildhintergrund: Arbeiten von Anni Albers im Tate Modern Museum in London, 2018.)
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Jüdisches Leben in Deutschland heute: jüdische Kunst und Kultur in Deutschland heute

Während des Holocaust oder der Shoah starben etwa sechs Millionen Jüdinnen und Juden. Das waren rund zwei Drittel der europäischen Jüdinnen und Juden und ein Drittel der jüdischen Weltbevölkerung. Dennoch hat jüdische Kultur auch in Deutschland nie aufgehört zu existieren.Und wie alles in unserem Land verändert sie sich ständig.

Ab dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1990/91 kamen Zehntausende Jüdinnen und Juden nach Deutschland. Auch dank dieser Zuwanderung haben die jüdischen Gemeinden in Deutschland heute etwa 100 000 Mitglieder. Zusammen mit jungen Menschen aus Israel geben sie der jüdischen Kultur Kreativität und Impulse. Die verschiedenen Prägungen sorgen mitunter aber auch für Spannungen. Die Sensibilität vor antisemitischen Anfeindungen ist groß.

Viele junge jüdische Künstlerinnen und Künstler wollen Teil der deutschen wie der jüdischen Kultur sein und stellen dies auf vielerlei Art dar. Vielfalt und Diversität sind Schlagworte, die auch auf die jüdische Kultur zutreffen. In Deutschland leisten jüdische Gemeinden und Museen, Volkshochschulen und Kulturveranstaltungen wichtige Beiträge zur Vermittlung und Darstellung jüdischer Kultur und Geschichte.
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Kultur kennt viele Facetten: Kunst, Musik, Literatur, auch Religion, Wissenschaft und Technik gehören dazu. Was ist nun jüdische Kultur? Und lässt sich jüdische Kultur in Deutschland von der nichtjüdischen unterscheiden? Antworten geben die Werke jüdischer Künstlerinnen und Künstler.

Benyamin Reich, 1976 geboren, verließ seine ultraorthodoxe jüdischen Familie in Jerusalem. Seit 2009 lebt er in Berlin. Seine Fotoarbeiten sind geprägt von der jüdischen Lebenswelt, provozieren und kritisieren. Sie regen zur Auseinandersetzung mit der deutsch-jüdischen Vergangenheit an.

Schon gewusst? Was heißt ...
Orthodoxes Judentum: Der Begriff stammt aus dem Griechischen und bedeutet „rechtgläubig“. Orthodoxe Jüdinnen und Juden halten strikt an ihren Traditionen fest. Sie orientieren sich in ihrem Leben stark an der Heiligen Schrift und den jüdischen Geboten. Die Tora spielt eine zentrale Rolle im Leben, ist unveränderbar und für alle Zeiten verbindlich.
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In Berlin auf der Suche nach seiner jüdischen Vergangenheit und nach Versöhnung: der Fotograf Benyamin Reich (hochgeladen am 29. Juni 2020 von „arte metropolis“).

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Arkadij Khaet und Mickey Paatzsch haben den Kurzfilm „Masel Tov Cocktail“ gedreht. Er erzählt von Dimitrij „Dima“ Liebermann, Sohn russischer Einwanderer, Gymnasiast und Jude.

Dimas Begegnungen mit Menschen und deren unterschiedlichen Haltungen zum Judentum machen auf unterhaltsame, oft komische Weise deutlich, wie es sich heute anfühlen kann, als Jüdin oder Jude in Deutschland zu leben.

Der Film wurde vielfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Medienpreis für Integration und kulturelle Vielfalt in Europa 2020 oder dem Grimme-Preis 2020.
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Ein Trailer von „Masel Tov Cocktail“ (hochgeladen am 5. März 2021 von „Filmakademie Baden-Württemberg“).

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Historische Einführung

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Die Forderungen nach mehr politischen und gesellschaftlichen Freiheiten waren im Deutschen Bund lebendig. Besonders Frauen aus dem Bürgertum entdeckten diese Anliegen auch für sich. Sie protestierten gegen ihre Benachteiligung.

Denn bislang hatten sie nur begrenzte Bildungsmöglichkeiten. An Gymnasien und Universitäten waren sie nicht zugelassen. Weibliche Berufstätigkeit galt als unangemessen, da sie nach der damals vorherrschenden Anschauung von den Pflichten einer Ehefrau, Hausfrau und Mutter ablenkte. Politisch und rechtlich waren Frauen unmündig: Sie durften nicht wählen und standen unter der Vormundschaft des Vaters oder des Ehemannes.

Die Frauenrechtlerin Louise Otto-Peters (1819–1895) ermutigte die Frauen, aktiv zu werden. Denn ihre Benachteiligung müsse „durch die Frauen selbst, durch ihren Willen und durch ihre eigene Kraft“ gelöst werden. „Befreiung durch Beruf“ war eine wichtige Parole der bürgerlichen Frauenbewegung.
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Über die Anfänge der deutschen Frauenbewegung informiert dieses Video (hochgeladen am 19. Juli 2021 von „Deutsches Historisches Museum“, #fokusdhm).

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Das Zentrum der bürgerlichen Familie

Jüdische Frauen vermittelten ihren Kindern das Judentum, bereiteten die Feiertage vor und kümmerten sich um das Einüben bürgerlicher Normen. Der Ehemann war vor allem für den Unterhalt verantwortlich. Dieser Holzstich zu einer Erzählung des deutsch-jüdischen Schriftstellers Salomon Hermann Mosenthal (1821–1877) nach einer Zeichnung von Moritz Daniel Oppenheim (1800–1882) zeigt eine jüdisch-bürgerliche Familie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Mehr Bildung und neue Möglichkeiten

In der bürgerlichen Frauenbewegung waren auch jüdische Frauen aktiv, besonders in den Bereichen Bildung und Sozialarbeit. Da auch die jüdische Tradition das Häusliche und Familiäre den Frauen zugewiesen hatte, lag es nahe, dass emanzipierte Jüdinnen Berufe in diesen Bereichen wählten. Ab Ende des 19. Jahrhunderts erhielten immer mehr jüdische Mädchen und Frauen Zugang zu Bildung und Berufstätigkeit. Der Anteil jüdischer Abiturientinnen und Studentinnen, die einen Abschluss machten, war sehr hoch. So eröffneten sich ihnen neue Möglichkeiten. Zugleich blieben in den meisten jüdischen Familien des Bürgertums die traditionellen Rollenbilder bestehen: Die Frau war für die Organisation des Haushalts und die Erziehung der Kinder zuständig – auch wenn sie einen Beruf hatte. 

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In der Weimarer Republik erfüllte sich eine Forderung, für die sich fast alle Strömungen der Frauenbewegung eingesetzt hatten: Frauen erhielten erstmals das aktive und passive Wahlrecht. Sie durften wählen und konnten als politische Vertreterin auch gewählt werden – so wie die weiblichen Abgeordneten der Nationalversammlung in Weimar auf diesem Foto von 1919.

Der weibliche Lebensstil erlebte vor allem in Großstädten einen Wandel. Immer mehr Frauen aus allen Schichten der Gesellschaft übten einen Beruf aus. Sie konnten für ihren Lebensunterhalt selbst aufkommen und traten in der Öffentlichkeit selbstbewusster auf. Das zeigte sich vor allem in der Mode: Statt einengender Korsetts zeigten sie mehr Bewegungsfreiheit durch Hosen, knielange Trikotkleider und pflegeleichtere Kurzhaarfrisuren, den „Bubikopf“.

Immer mehr Frauen, gerade in den Großstädten, besuchten weiterführende Schulen und immer mehr von ihnen studierten. Nach dem Studium dominierte aber zumeist weiterhin das traditionelle Rollenbild als Ehefrau, Hausfrau und Mutter – besonders nach einer Eheschließung.
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Henriette Goldschmidt

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Frühe Prägung

Henriette Goldschmidt kam 1825 als sechstes von acht Kindern in Krotoschin in der preußischen Provinz Posen zur Welt. Ihre Mutter, Eva Benas, verstarb früh. Ihre Stiefmutter empfand Goldschmidt als kalt und distanziert. Dadurch schlussfolgerte sie später, dass Mütterlichkeit den Frauen nicht angeboren ist. Goldschmidt begann, sich für weibliche Ausbildungsmöglichkeiten zu interessieren.

Begrenzte Bildungsmöglichkeiten

Das Bildungsangebot war in bürgerlichen Familien sehr unterschiedlich: Söhne durften Gymnasium und Universität besuchen, für Töchter waren sie hingegen nicht geöffnet. Es gab spezielle Schulen für Mädchen. Sie bildeten aber vor allem für eine spätere Ehe und die Haushaltsführung aus. Berufliche Möglichkeiten für Frauen, die nicht heirateten, gab es nur wenige. Sie konnten zum Beispiel als Lehrerin an einer Mädchenschule oder in der Pflege arbeiten. Heirateten sie, mussten sie ihren Beruf meistens wieder aufgeben.

Engagement in der Jugendarbeit

Doch Goldschmidt erhielt zuhause Anregungen: Ihr Vater, der jüdische Kaufmann Levin Benas, hatte eine Bibliothek, las Zeitung und diskutierte mit den Kindern. Er stand den Ideen der 1848er-Revolution nahe. Mit dem Umzug der Familie nach Posen 1850 lernte die bürgerliche Henriette Probleme von Arbeiterfamilien und wohltätige Hilfsangebote kennen. Sie engagierte sich nach der Schule ehrenamtlich in der Betreuung armer Kinder.

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Ein neuer Lebensmittelpunkt

1853 heiratete Henriette Goldschmidt den Rabbiner Dr. Abraham Meier Goldschmidt (1812–1889). Er war ihr Cousin, 13 Jahre älter, verwitwet und Vater von drei Kindern. Sie zogen 1858 nach Leipzig, weil Abraham Goldschmidt eine Stelle als Rabbiner in der dortigen jüdischen Gemeinde antrat.
Henriette Goldschmidt war von der Universitätsstadt begeistert. Leipzig – hier in einer Stadtansicht aus dem 19. Jahrhundert – bot ihr geistige Anregungen, bürgerschaftliches Engagement und ein lebhaftes deutsch-jüdisches Vereinsleben. In Leipzig wirkte auch die Frauenrechtlerin Louise Otto-Peters.

Teil des Bildungsbürgertums

Abraham Goldschmidt lebte und lehrte ein liberales Judentum. Auch er sympathisierte mit den Ideen der 1848er-Revolution. Er predigte auf Deutsch, was traditionelle Gemeinden ablehnten. Abraham Goldschmidt war gebildet und auch in christlichen Kreisen angesehen. Er trat als Festredner auf, etwa bei Gedenkfeiern für die bekannten Dichter Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781) oder Friedrich Schiller (1759–1805). Das Ehepaar gehörte zum Leipziger Bildungsbürgertum und war überzeugt von einem christlich-jüdischen Miteinander auf der Basis von Toleranz und Aufklärung: Dass Menschen durch den Gebrauch ihrer Vernunft und persönliche Begegnungen ihre Vorurteile gegen andere Religionen überwinden können.

Schon gewusst? Was heißt ...

Liberales Judentum: Das liberale Judentum, auch Reformjudentum, hat sich Ende des 18. Jahrhunderts herausgebildet. Es zeichnet sich durch die Auseinandersetzung mit der eigenen Religion aus. Die Heilige Schrift ist die historische Grundlage des reformierten jüdischen Glaubens. Doch es verweist auch auf die Pflicht, historische Vorstellungen aufzugeben und die vom Menschen niedergeschriebenen Schriften und Gebote anzupassen. Jüdische Tradition soll mit moderner Kultur in Einklang gebracht werden.

Schon gewusst? Was heißt ...

Rabbiner: Das Wort bedeutet „Meister“ oder „mein Lehrer“. Rabbiner sind Gelehrte und Lehrer des Judentums und arbeiten in einer jüdischen Gemeinde. Sie haben viele Jahre mit dem Studium der Thora und des Talmuds verbracht. Rabbiner legen für Gemeindemitglieder aus, wie religiöse Fragen des Judentums (Interpretation und Anwendung der Thora) im Einzelfall zu verstehen sind. Ab dem 19. Jahrhundert wurde eine universitäre Bildung für die Rabbinerausbildung in Westeuropa immer wichtiger. 

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Mitglieder der Frauenbewegung

Die „Berliner Illustrierte Zeitung“ stellte auf ihrem Titelblatt von 1896 Vorkämpferinnen der Frauenbewegung vor. Darunter war auch Henriette Goldschmidt (links oben).

Eine Frauenrechtlerin

1865 stellten die Goldschmidts ihr Haus für die Gründung des „Leipziger Frauenbildungsvereins“ zur Verfügung. Wenig später lud der Verein zur ersten „Allgemeinen Deutschen Frauenkonferenz“, wo die Gründung des „Allgemeinen Deutschen Frauenvereins“ beschlossen wurde. Zu den Gründerinnen gehörten auch Louise Otto-Peters und Auguste Schmidt (1833–1902).
Der Verein forderte mehr Bildungsmöglichkeiten, verbesserte Arbeitsbedingungen und Anstellungschancen für Frauen sowie Abendschulen und Fortbildungskurse auch für Arbeiterinnen. Fernziele waren Handels- und Wirtschaftsschulen für Mädchen und das Frauenwahlrecht. Im „Allgemeinen Deutschen Frauenverein“ war Goldschmidt von 1867 bis 1906 im Vorstand tätig und eine gefragte Rednerin.

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Henriette Goldschmidt forderte für Frauen bessere Möglichkeiten in Bildung und Ausbildung. Die traditionelle Rollenaufteilung stellte sie aber nicht infrage. Männer sollten in der Öffentlichkeit stehen, Frauen dagegen in folgenden Bereichen tätig sein: Kindererziehung, Familie, Gemeinde, Kommune, Fürsorge.

1911 gründete Goldschmidt mit Unterstützung von Leipziger Bürgerinnen und Bürgern eine „Hochschule für Frauen“. Sie stand aber nicht in Konkurrenz zu den mittlerweile für Frauen geöffneten Universitäten. Klassische Frauenberufe, zum Beispiel den der Krankenpflegerin, erhielten in der neuen Hochschule durch akademische Lehrveranstaltungen eine Aufwertung.

Goldschmidt starb 1920. Nach ihrem Tod wurde die Hochschule als „Sozialpädagogisches Frauenseminar Leipzig“ weitergeführt. Ab der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 wurden jüdische Mädchen und Frauen dort nicht mehr zugelassen. Die Erinnerung an die Gründerin der Schule wurde lange unterdrückt.

Seit 1992 ist die „Henriette-Goldschmidt-Schule“ das berufliche Schulzentrum der Stadt Leipzig. Frauen und Männer können dort heute eine Ausbildung in sozial- und heilpädagogischen Berufen machen.
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Henriette Goldschmidt – traditionell ...

Trotz ihrer liberalen Prägung im Elternhaus war Henriette Goldschmidt eine konservativ denkende Frau. Die traditionelle Rollenaufteilung der bürgerlichen Familie stellte sie nicht infrage. Selbst kinderlos, zog sie ihre Stiefsöhne groß und bezeichnete die Erziehung als „eigentlichen, natürlichen Beruf“ der Frau. Sie glaubte, dass Frauen aufgrund eines gottgegebenen Geschlechtergegensatzes für soziale Aufgaben bestimmt seien.

... und aktuell

Viele von Goldschmidts Beobachtungen sind bis heute aktuell. So zeigte sie schon 1877 den Zusammenhang von „materieller Not und schlechter Erziehung“ auf, dass also Kinder aus bildungsfernen Familien oft keine gute Ausbildung erhalten und dadurch ein hohes Risiko für Altersarmut haben, besonders Frauen.

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Frauen

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Alice Salomon

Fürsorge für Schwache und Bedürftige

Eine Werbepostkarte der „Mädchen- und Frauengruppen für soziale Hilfsarbeit“ von 1914

Alice Salomon – Herkunft und Prägung

Alice Salomon kam 1872 als fünftes von sieben Kindern einer wohlhabenden jüdischen Kaufmannsfamilie in Berlin zur Welt. In ihrer assimilierten Familie wurde der jüdische Glaube kaum mehr gelebt. Nach dem Tod der Mutter ließ sie sich 1914 protestantisch taufen.
Mit 21 Jahren begann, wie sie später schrieb, ihr „eigentliches Leben“: Bei der Gründungsversammlung der „Mädchen- und Frauengruppen für soziale Hilfsarbeit” kam sie in Kontakt mit Berliner Bürgerinnen, die sich um Kinder aus weniger bevorzugten Familien kümmerten. Salomon unterstützte Arbeiterinnen und Mädchen aus schwierigen Verhältnissen und half mit in einem Mädchenhort. 1899 übernahm sie den Vorsitz.

Schon gewusst? Was heißt ...

Assimilation: Bedeutet „Angleichung“ oder „Anpassung“. Assimilierte Jüdinnen und Juden versuchten, sich durch Übernahme von Verhaltensnormen und Lebensweisen an die christliche Mehrheitsgesellschaft anzupassen. Religiöse Belange traten dabei oft in den Hintergrund, die staatsbürgerliche Identifikation in den Vordergrund.

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Engagement und erlebte Ausgrenzung

Mit nur 28 Jahren war Alice Salomon eine wichtige Akteurin der bürgerlichen Frauenbewegung. Ab 1900 war sie im Vorstand des „Bundes deutscher Frauenvereine“, der Dachorganisation der deutschen Frauenbewegung. 1917 war sie als Nachfolgerin der ersten Vorsitzenden vorgesehen. Wegen der antisemitischen Strömungen in dieser Zeit rieten ihr führende Mitglieder des Vereins von einer Kandidatur ab.

International aktiv

Salomon war auch in der internationalen Frauenbewegung aktiv. Über neue Ideen zur Sozialarbeit in England hatte sie sich informiert und dort Einrichtungen besucht. Seither sprach sie fließend Englisch, damals eine Seltenheit.
Salomon engagierte sich auch im „Internationalen Frauenbund“. Die Konferenzen dienten dem regelmäßigen Austausch über gemeinsame Anliegen: Friedensprojekte, Frauenrechte (besonders das Frauenwahlrecht), qualifizierte Bildungs- und Erwerbsmöglichkeiten für Frauen.

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Die Soziale Frauenschule

1906 promovierte Alice Salomon zum Doktor der Volkswirtschaftslehre, ohne Abitur und Studium. Ihre vielen Veröffentlichungen (Bücher und Hunderte von Artikeln) erkannte die Universitätsleitung als Ersatz an. Salomon war 1908 Mitgründerin und bald auch Leiterin der „Sozialen Frauenschule“ in Berlin. Dort erhielten junge Frauen für die Dauer von zwei Jahren eine professionelle Ausbildung in der Betreuung von sozial oder gesundheitlich Hilfsbedürftigen. Das Foto zeigt Salomon (Bildmitte, in schwarzer Kleidung) mit ihren Schülerinnen um das Jahr 1915.

Der Beruf als Herzensangelegenheit

Salomon war es wichtig, „Schülerinnen auf eine Arbeit vorzubereiten, die nicht nur die Leistung, sondern auch die Gesinnung schätzt; für die der Zustand der Seele nichts Gleichgültiges, oder Nebensächliches“ war. Die Schule solle daher „nicht nur die Methoden der Pädagogik, die Technik sozialer Arbeit lehren“, also „nicht nur Wissen vermitteln, sondern eine Pflanzstätte sozialer Gesinnung werden.“ Die Arbeit sollte nach Salomon echte Herzensangelegenheit sein, nicht nur das Ausführen einer erlernten Tätigkeit.

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1925 gründete Alice Salomon die „Deutsche Akademie für soziale und pädagogische Frauenarbeit”, deren Vorsitzende sie auch war. In der Akademie konnten sich weibliche Führungskräfte der Sozialen Arbeit – zum Beispiel Pflegerinnen oder Erzieherinnen – weiterbilden. Die Akademie hatte eine eigene Forschungsabteilung und führte wissenschaftliche Untersuchungen in sozialpädagogischen Berufsfeldern durch.

Salomon, hier auf einem Foto um das Jahr 1915, verfasste wichtige Schriften zu Theorie und Praxis der Wohlfahrtspflege sowie des Mutter- und Arbeiterinnenschutzes. Krankenpflege und Kinderbetreuung hatten lange Zeit als Frauendomäne gegolten und wenig Beachtung gefunden. Salomon machte daraus professionelle und ausbildungspflichtige Berufe. 
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1932 feierte Alice Salomon ihren 60. Geburtstag. Sie hatte viele Ziele erreicht und war beruflich hoch angesehen. So erhielt sie die Ehrendoktorwürde der Medizin der Universität Berlin. Aber auch Salomon geriet unter den antisemitischen Verfolgungsdruck der Nationalsozialisten – unabhängig davon, dass ihre jüdische Herkunft für sie keine große Rolle mehr spielte.

Nach der Machtübernahme 1933 entzogen die NS-Behörden Salomon alle Titel, öffentlichen Ämter und die deutsche Staatsbürgerschaft. 1937 stellten sie die Behörden vor die Wahl: Ausreise oder Konzentrationslager. Salomon konnte somit entkommen. Vom Verlust ihrer Heimat und ihrer beruflichen Existenz erholte sie sich nicht mehr. Ihr war bewusst, dass alles an ihrer Person den Nationalsozialisten missfiel: „Ich war von jüdischer ‚Rasse‘; ich gehörte der kämpfenden protestantischen Kirche an; ich war eine progressive Frau, international eingestellt und daher pazifistisch.“
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1937 wanderte Salomon in die USA aus. Dort hatte sie bis zu ihrem Tod 1948 in New York eine schwere Zeit. Obwohl sie hochqualifiziert war, fand sie weder eine dauerhafte Anstellung noch einen Verlag für ihre Memoiren. Verarmt und vereinsamt erhielt sie kaum Unterstützung.

Person und Lebenswerk von Alice Salomon gerieten lange Zeit in Vergessenheit. Die Aberkennung ihrer Doktortitel wurde erst 1998 widerrufen. Ihre Memoiren erschienen 1983. In der pädagogischen Fachwelt werden ihre Schriften heute gewürdigt und Schulen nach ihr benannt.
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Alice Salomon – ideenreich ...

Alice Salomon setzte als Sozialreformerin Maßstäbe. Ihre Einrichtungen und Organisationen trugen dazu bei, weibliche Fürsorgetätigkeit als modernen Beruf zu etablieren – mit geregelter Ausbildung und Gehalt.
Salomon entstammte einem jüdisch-bürgerlichen Milieu, wo Heirat, Familiengründung und Familienarbeit als traditionelle Betätigungsfelder der Frau galten. Doch Salomon lebte konsequent als ledige, kinderlose und kosmopolitische Frau. Ein damals seltenes und mutiges Rollenmodell.

... und aktuell

Noch heute bekommen Frauen für die gleiche Arbeit viel zu oft ein geringeres Gehalt als ihre männlichen Kollegen. Dieses Problem hatte Alice Salomon schon 1906 in ihrer Doktorarbeit analysiert: „Die Ursachen der ungleichen Entlohnung von Männer- und Frauenarbeit“. Die ungleiche Entlohnung war auch für Salomon eine Ungerechtigkeit. Sie nahm Frauen aber auch in die Pflicht, geringerer Ausbildung und kürzerer Berufsdauer selbst entgegenzuwirken.

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Jüdisches Leben in Deutschland heute

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Was bedeutet es für junge Frauen in Deutschland heute, jüdisch zu sein? Welchen Einfluss hat dies auf ihren Alltag? Die 24-jährige Avital berichtet von ihren Erfahrungen – den positiven wie negativen.
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So fühle ich mich als Jüdin in Deutschland (hochgeladen am 9. Juli 2020 von „Auf Klo“).

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Historische Einführung

1789 brach in Frankreich eine Revolution aus. Die Herrschaft von Adel und Kirche endete. Die allgemeinen Menschen- und Bürgerrechte enthielten die Freiheit des Individuums und die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz. Damit waren die französischen Juden allen anderen Bürgern rechtlich gleichgestellt.

1804 krönte sich Napoleon zum „Kaiser der Franzosen“. Er führte Kriege um die Vorherrschaft in Europa. In einigen deutschen Staaten, die seine Armee erobert hatte, führte er das französische Gesetzbuch ein, den Code civil. Es garantierte Errungenschaften der Revolution, etwa die Gleichheit vor dem Gesetz und die freie Religionsausübung.

Unter Napoleon erhielten Juden so erstmals die gleiche rechtliche Stellung wie Christen. In den meisten deutschen Staaten gab es für Juden aber weiterhin viele Einschränkungen.
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Gewalt statt Reformstimmung

Im Sommer 1819 kam es in mehreren deutschen Städten – wie hier in Frankfurt am Main – zu Plünderungen und Misshandlungen an Jüdinnen und Juden, den sogenannten Hep-Hep-Unruhen. Kleinbürgerliche Gruppen, aber auch Handwerker, Kaufleute und Bürger bekämpften die Gleichstellung der Juden.

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Erste Reformen, aber auch gleichgestellt?

Im Zuge weitreichender Reformen verlieh der preußische Staat den jüdischen Bewohnern 1812 den Bürgerstatus. Obwohl dies mit einer Gleichstellung an Rechten und Pflichten verbunden war, beinhaltete es nicht das Recht zum Staatsdienst in Verwaltung, Justiz oder dem Offizierskorps. Dennoch brachten Juden 1813 ihr staatsbürgerliches Verständnis zum Ausdruck, indem sie sich in den Befreiungskriegen gegen Napoleon als Freiwillige meldeten. In seiner Darstellung „Auszug der ostpreußischen Landwehr ins Feld 1813 nach deren Einsegnung in der Kirche“ widmete sich der Maler Gustav Graef Mitte des 19. Jahrhunderts diesem Thema. Am rechten unteren Bildrand setzte er einen jüdischen Freiwilligen in Szene, der sich von seinen Eltern verabschiedet.

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Befreiungskriege: Bezeichnung des Kriegs der Koalition, bestehend aus Preußen, Österreich, Russland, Schweden und Großbritannien gegen Napoleons „Grande Armée“ aus deutscher Sicht. Bei vielen Deutschen – Juden und Nichtjuden – verstärkten diese Kriege den Wunsch nach nationaler Zusammengehörigkeit.

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Nach dem Sturz Napoleons verloren die Juden in vielen Staaten des Deutschen Bundes die ihnen zugestandenen Rechte. 1848 brach eine Revolution aus, und ihre Unterstützer forderten mehr bürgerliche Freiheiten und politische Teilhabe. An den Straßenkämpfen waren auch Juden beteiligt, wenngleich die Mehrheit mit den Zielen und Ereignissen der Revolution wenig sympathisierte.

Die Anhänger der Revolution wollten durch eine Verfassung die Macht der Herrscher einschränken oder sogar abschaffen. Sie forderten auch einen einheitlichen demokratischen Nationalstaat. Die Ziele der Revolution gaben den deutschen Juden Anlass, auf vollständige Gleichstellung zu hoffen.

Am ersten frei gewählten deutschen Parlament, der Nationalversammlung in Frankfurt am Main, nahmen auch jüdische Politiker teil. Hunderte waren in Bürgervereinen oder städtischen Ämtern politisch aktiv.
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Die Revolution von 1848/49 scheiterte. Doch in den folgenden Jahren kam es in immer mehr deutschen Staaten zur rechtlichen Gleichstellung der Juden. Die Verfassung des Deutschen Kaiserreichs schrieb 1871 dann ihre rechtliche Gleichstellung fest. In vielen Bereichen blieben sie aber noch lange benachteiligt, etwa im Staatsdienst, an Universitäten oder im Militär.

Zu dieser Zeit lebten etwa 510 000 Jüdinnen und Juden im Deutschen Kaiserreich. Das waren etwas mehr als ein Prozent der Gesamtbevölkerung.
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Ausstellungsraum 1

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Heinrich Heine

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Begeistert von den Errungenschaften der Französischen Revolution

Heinrich Heine kam am 13. Dezember 1797 als Harry Heine in Düsseldorf zur Welt. Er war das älteste von vier Kindern des jüdischen Textilkaufmanns Samson Heine und dessen Ehefrau Elisabeth. Heine und seine Geschwister wuchsen in einem von der jüdischen Aufklärung geprägten Elternhaus auf. Düsseldorf war während Heines Kindheit und Jugend von französischen Truppen besetzt. Der von Napoleon eingeführte Code civil entfaltete auch dort seine Wirkung: Er brachte für Juden erstmals die rechtliche Gleichstellung, wofür Heine den französischen General und Kaiser bewunderte.

Ein bleibender Eindruck

Im Alter von 13 Jahren erlebte Heine 1811 den Einzug Napoleons in seiner Heimatstadt Düsseldorf. Dieses Ereignis, hier festgehalten in einem zeitgenössischen Aquarell von Johann Petersen, verarbeitete Heine später literarisch.

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Jüdische Aufklärung: Unter Juden verbreitete sich ab Ende des 18. Jahrhunderts eine neue geistige Bewegung – die „Haskala“ (jüdische Aufklärung). Ihre Anhänger bejahten die Ideale der europäischen Aufklärung. Sie wollten die jüdische Welt mit der nichtjüdischen verbinden. Juden sollten demnach nicht nur die jüdische Kultur kennen, sondern auch eine weltliche Bildung anstreben.

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Seine Schulbildung begann Heinrich Heine in einer jüdischen Privatschule in Düsseldorf. Danach besuchte er christliche Schulen, da sie ab 1804 auch jüdische Kinder in den Unterricht aufnahmen. Nach der Grundschule wechselte er in eine Vorbereitungsklasse für das Lyzeum (Gymnasium), das er vier Jahre lang besuchte.

Dort lernte er die französische Sprache und Literatur kennen. Schon während seiner Schulzeit und später im Studium erfuhr Heine auch Ausgrenzung aufgrund seiner jüdischen Herkunft. Das Lyzeum verließ er 1814 ohne Abschlusszeugnis, wie es allerdings für viele Schüler zu dieser Zeit üblich war.

Eine Kaufmannslehre, die er nach kurzer Zeit wieder aufgab, führte ihn nach Frankfurt am Main. Danach ging er nach Hamburg, wo er bei seinem wohlhabenden Onkel Salomon Heine den Beruf des Bankkaufmanns lernte. Seither finanzierte Salomon Heine seinen Neffen und ermöglichte ihm die Gründung eines Tuchwarengeschäfts, das aber nach wenigen Monaten pleiteging. Zu dieser Zeit hatte Heine bereits erste Gedichte verfasst.
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Ab 1819 studierte Heine Jura – zunächst in Bonn, dann in Göttingen und Berlin. Im „Verein für Kultur und Wissenschaft der Juden“ beschäftigte er sich intensiv mit der Geschichte der Juden in seinem Heimatland. 1825 legte er sein Examen ab und erhielt den Doktortitel. Nach dem bestandenen Examen ließ er sich evangelisch taufen. Seither nannte er sich Heinrich Heine.

Mit dem Übertritt zum Christentum wollte Heine vor allem seine Anstellungschancen als Jurist erhöhen, was ihm aufgrund seiner jüdischen Herkunft nicht möglich war. Doch auch die Taufe nützte ihm nichts. Vergeblich bewarb er sich um eine Anstellung als Anwalt oder als Professor. Seinem Freund Moses Moser gestand er 1826: „Ich bereue sehr, dass ich mich getauft habe; ich seh noch gar nicht ein, dass es mir seitdem besser gegangen sei; im Gegenteil, ich habe seitdem nichts als Unglück.“

Trotz Taufe fühle sich Heine sein Leben lang mit dem Judentum verbunden. Viele Gedichte und sein historischer Roman „Der Rabbi von Bacherach" (1822/40) zeugen davon.
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Mit Mut und Spott gegen die Obrigkeit

Unter den politischen Zuständen im Deutschen Bund litt Heinrich Heine. Als Schriftsteller forderte er das Recht, sich frei zu äußern. Doch seine Schriften, in denen er oft die Gedanken von Freiheit und Gleichheit niederschrieb, ließen die deutschen Fürsten und Könige oft zensieren. Seinen Ärger darüber machte er öffentlich Luft: In seinen „Reisebildern" von 1827 schrieb er ein ganzes Kapitel mit Spiegelstrichen voll – mit Ausnahme von zwei Wörtern: „Die deutschen Zensoren“ und „Dummköpfe“.  

Schon gewusst? Was heißt ...

Zensur: von staatlicher Stelle vorgenommene Kontrolle von Druckwerken

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Der Verlust der Heimat

Als Moritz Daniel Oppenheim 1831 Heinrich Heine malte, war er ein erfolgreicher Dichter, Schriftsteller und Journalist, bekannt im Deutschen Bund und in Europa. Der liberale und für viele spöttische Geist seiner Schriften brachte ihm in der Öffentlichkeit einerseits Anerkennung und Bewunderung, andererseits schlug ihm dafür auch Hass entgegen. Den Anfeindungen seiner Person und der Zensur seiner Werke war Heine überdrüssig. Er emigrierte 1831 nach Paris und beschäftige sich dort als Korrespondent mit politischen Tagesfragen.

Wanderer zwischen den Welten

In Frankreich war er Deutscher, ein Ausländer, nicht der Jude, und konnte „freie Luft“ atmen, wie er es formulierte. Mit seinen Schriften – Essays, politische Artikel, Gedichte, Prosa – wurde er ein Kulturvermittler zwischen den Nationen: Den Franzosen brachte er die deutsche Kultur nah, den deutschen Lesern die französische. Aus dem Pariser Exil kritisierte Heine weiterhin die konservativen politischen Verhältnisse in seiner Heimat. Das Verbot all seiner bestehenden und künftigen Werke im gesamten Deutschen Bund 1835 war die Folge.

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Doch die Sehnsucht nach seiner deutschen Heimat blieb. Heine sollte sie noch zweimal besuchten. Eine Reise nach Hamburg verarbeitete er 1844 in „Deutschland. Ein Wintermärchen“. Er dichtete:

[...]
„Und als ich an die Grenze kam,
Da fühlt ich ein stärkeres Klopfen
In meiner Brust, ich glaube sogar
Die Augen begunnen zu tropfen.

Und als ich die deutsche Sprache vernahm,
Da ward mir seltsam zumute;
Ich meinte nicht anders, als ob das Herz
Recht angenehm verblute.“
[...]

Heine starb 1856 nach langer Krankheit in Paris. Das Gemälde von Ernst Kietz enstand 1851. Es zeigt den gebrechlichen Dichter mit seiner Ehefrau Mathilde. 
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Historische Einführung

Um 1750 gehörten fast drei Fünftel aller Jüdinnen und Juden der „unbemittelten Klasse“ an. Das heißt, sie waren sehr arm und lebten am Rande des Existenzminimums. Bis zum Ende des 19. Jahrhundert änderte sich das dramatisch.

Der Handel mit Waren des alltäglichen Gebrauchs, auf den Juden in der Zeit vor der Industriellen Revolution abgedrängt worden waren, wuchs im 19. Jahrhundert fulminant. Je mehr die Beschränkungen in der Wirtschaft fielen, desto mehr Chancen boten sich ihnen.

Vielen Juden gelang der Aufstieg ins Bürgertum – und sie gestalteten die deutsche Gesellschaft mit, in der sie lebten: Sie arbeiteten in Handel und Industrie, waren Selbständige, Angestellte, Journalisten, Ärzte oder Wissenschaftler. Einige wenige gründeten Zeitungs- und Literaturverlage oder errichteten moderne Warenhäuser.

Ihre Erfolge teilten jüdische Bürgerinnen und Bürger oft mit der Gesellschaft. Sie waren Stifter und Sponsoren – für Armen- und Krankenhäuser, Universitäten, Kunstsammlungen und Sportvereine.
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Zuwanderung in die Industriezentren

Auch jüdische Unternehmer und Bankiers nutzten die Chancen der Industriellen Revolution und investierten unter anderem in den Ausbau des Eisenbahnnetzes (hier im Bild die 1838 fertiggestellte Eisenbahnstrecke Berlin–Potsdam).
Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zog es immer mehr jüdische Familien in die wachsenden Industriestädte. Die rechtliche Gleichstellung, die in den deutschen Staaten voranschritt, erleichterte dies. Jüdinnen und Juden besaßen nun immer häufiger das Recht, sich am Ort ihrer Wahl niederlassen zu können.

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Selbstbewusste Bürger

Vom Buchhandelsgehilfen zum Medienunternehmer – der deutsch-jüdische Verleger Rudolf Mosse (1843–1920, zweiter von rechts) auf einem Foto von 1891 mit seinen Brüdern (v.l.n.r.) Albert, Salomon, Paul, Emil, Theodor und Max. Sie machten im Deutschen Kaiserreich unter anderem als Apotheker, Jurist oder Textilhändler Karriere.

Bildung – ein Schlüssel zum Erfolg

Bildung war in jüdisch-bürgerlichen Familien sehr wichtig. Weit über den allgemeinen Durchschnitt hinaus besuchten jüdische Schüler und auch Schülerinnen weiterführende Schulen. Damit eröffneten sich ihnen neue Möglichkeiten: ein Studium und eine Karriere in den „freien Berufen“ (zum Beispiel als Arzt, Anwalt oder Journalist) oder in der Industrie. In hohe staatliche Ämter hatten sie im Kaiserreich kaum Zugang.

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Bürgertum: Das Bürgertum war nicht einheitlich. Was Beruf, Wohlstand oder Ansehen betraf, gab es große Unterschiede. Der reiche Unternehmer fühlte sich dem Bürgertum ebenso zugehörig wie der Händler mit bescheidenem Einkommen. Wichtig waren ihnen bestimmte Werte: Bildung als Voraussetzung für Aufstieg, Selbstständigkeit, Leistung, Verantwortungsbewusstsein und Familiensinn.

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Ausgrenzung und Diskriminierung – „Gruß aus Marienbad!“, lautete der Titel dieser antisemitischen Postkarte, die um 1900 entstand. Es gab Kurorte und Seebäder, die als antisemitisch galten und dies auch öffentlich vertraten.
Ausgrenzung und Diskriminierung – „Gruß aus Marienbad!“, lautete der Titel dieser antisemitischen Postkarte, die um 1900 entstand. Es gab Kurorte und Seebäder, die als antisemitisch galten und dies auch öffentlich vertraten.
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In Teilen der deutschen Gesellschaft bestanden gegenüber dem Judentum weiterhin große Vorbehalte. Die rechtliche Gleichstellung der Juden änderte daran nichts.

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wandelte sich die Begründung, weshalb Menschen jüdischen Glaubens noch immer ausgegrenzt wurden. Hass auf Juden war nicht mehr nur religiös oder wirtschaftlich begründet, sondern auch rassistisch. Die Anhänger des sogenannten Antisemitismus behaupteten, dass eine „jüdische Rasse“ existiere, die gegenüber anderen minderwertig sei.

Es erschienen antisemitische Bücher und Zeitschriften. Im Deutschen Kaiserreich nahmen antisemitische Parteien an Wahlen teil. Viele Vereine, Klubs und Studentenverbindungen nahmen keine Juden auf.

Dieser organisierte Antisemitismus veranlasste die deutschen Juden 1893 zur Gründung eines Abwehrvereins, des „Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“. Der Verein hatte 1918 etwa 240 000 Mitglieder.
Ausgrenzung und Diskriminierung – „Gruß aus Marienbad!“, lautete der Titel dieser antisemitischen Postkarte, die um 1900 entstand. Es gab Kurorte und Seebäder, die als antisemitisch galten und dies auch öffentlich vertraten.
Ausgrenzung und Diskriminierung – „Gruß aus Marienbad!“, lautete der Titel dieser antisemitischen Postkarte, die um 1900 entstand. Es gab Kurorte und Seebäder, die als antisemitisch galten und dies auch öffentlich vertraten.
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1914 brach der Erste Weltkrieg aus. Zehntausende deutsche Juden zogen für das Deutsche Kaiserreich in den Krieg. Mit dem Waffengang  wollten sie beweisen, dass sie vollwertige Mitglieder der deutschen Gesellschaft sind. (Das undatierte Foto zeigt jüdische Soldaten während des Krieges bei einer Feier.)

Doch viele jüdische Soldaten erlebten während ihres Einsatzes Anfeindungen und Diskriminierungen. Antisemitische Strömungen verbreiteten sich, je mehr Opfer der Krieg forderte. 1916 ordnete das Kriegsministerium eine Erhebung über die jüdische Beteiligung am Frontdienst an, die sogenannte Judenzählung.

Damit sollte geprüft werden, ob Juden den Kriegsdienst verweigerten. Zu einer Veröffentlichung der Ergebnisse kam es nicht. Spätere Auswertungen zeigten: Sehr viele jüdische Soldaten waren am Kriegsgeschehen beteiligt, vor allem an der Front.

Im Ersten Weltkrieg waren für das Deutsche Kaiserreich etwa 100 000 jüdische Soldaten im Einsatz, wovon 78 000 an der Front kämpften. 12 000 jüdische Soldaten starben. Die „Judenzählung“ löste unter deutschen Juden große Enttäuschung aus.
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Eine Revolution beendet das Kaiserreich

Der Erste Weltkrieg endete mit der Niederlage des Deutschen Kaiserreichs am 11. November 1918. Tage zuvor brach dort eine Revolution aus. Arbeiter und Soldaten protestierten gegen den Krieg und wollten endlich Frieden. Die Republik ersetzte das Kaiserreich als neue Staatsform.
Die Mehrheit der deutschen Jüdinnen und Juden stand der Revolution von 1918/19 verhalten gegenüber. Die freiheitliche Grundordnung der Weimarer Republik unterstützten sie aber umso mehr.

Akteure und Opfer des Umbruchs

Auch einzelne jüdische Politiker spielten während der Revolution 1918/19 eine wichtige Rolle. Das Foto zeigt den Anführer der Revolution in Bayern, Kurt Eisner (1867–1919, Bildmitte mit schwarzem Hut) auf einer Demonstration in München im Februar 1919. Wenige Tage später fiel er einem rechtsextremen Mordanschlag zum Opfer. Auch die jüdische Politikerin Rosa Luxemburg (1871–1919) fiel einem Attentat zum Opfer. Für antisemitischen Organisationen waren sie verhasste Repräsentanten der neuen Republik.

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Die Verfassung der Weimarer Republik vollendete die Gleichstellung der deutschen Jüdinnen und Juden und hob die letzten Beschränkungen auf: Sie hatten nun Zugang zu allen Staatsämtern und besaßen die vollen Rechte einer Staatsbürgerin oder eines Staatsbürgers. Ihre religiöse Zugehörigkeit spielte hierfür keine Rolle mehr.

Deutsche Jüdinnen und Juden nahmen vermehrt am sozialen und besonders am kulturellen Leben teil, weil sie nun die Freiheit dafür hatten (mehr dazu hier).

Trotz rechtlicher Gleichstellung nahm der Antisemitismus im Alltag zu, besonders in den Anfangs- und Endjahren der Republik. Es entstanden antisemitische Organisationen und Parteien, etwa der „Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund“ und die „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei“ (NSDAP).

Sie, aber auch gewöhnliche Mitbürgerinnen und Mitbürger machten die deutschen Juden für alle Krisen verantwortlich, etwa die Kriegsniederlage, die Ausrufung zur Republik oder die Weltwirtschaftskrise. Neben Beleidigungen kam es auch zu Gewalt und Angriffen. Jüdische Politiker wurden Opfer von Anschlägen. 
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Die Wirtschaftskrisen während der Weimarer Republik traf auch die jüdische Bevölkerung schwer. Sie arbeiteten vor allem als Angestellte oder Selbstständige in kleinen und mittleren Handelsgeschäften. Mit der Hyperinflation 1923/24 verloren viele ihre Ersparnisse, die sie auf Sparkonten angelegt hatten.

Auch die Folgen der Weltwirtschaftskrise ab 1929 waren verheerend: Bis Anfang der 1930er-Jahre gab es über sechs Millionen Arbeitslose. Menschen aus allen Schichten der Gesellschaft – Selbstständige, Beamte, Arbeiter, Bauern – verloren ihr Erspartes und verarmten. Darunter waren auch viele jüdische Kleinhändler und Ladenbesitzer. Sie mussten ihre Geschäfte schließen.
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Gabriel Riesser

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Lebenslanger Kampf für Emanzipation

Gabriel Riesser kam am 2. April 1806 in Hamburg als jüngstes von fünf Kindern zur Welt. Er wuchs in einer traditionellen jüdischen Familie auf. Die Eltern ermöglichten ihren Kindern eine gute Schulausbildung. Riesser studierte danach Jura und schloss seine juristische Ausbildung mit einer Promotion an der Universität Heidelberg ab. Aber als bekennender Jude durfte er nicht als Rechtsanwalt praktizieren. Auch eine Anstellung als Privatdozent, das heißt als unbezahlter Professor, an einer Universität erlaubten ihm die Behörden nicht. In zahlreichen politischen Schriften kämpfte er gegen diese Diskriminierung an. 1831 schrieb er: „Wir sind entweder Deutsche, oder wir sind heimatlos.“

Ein Wortführer des deutschen Judentums

Grabriel Riesser, hier auf einem Porträt von Moritz Daniel Oppenheim um das Jahr 1848, trat für die vollständige rechtliche Gleichstellung der deutschen Juden ein. Das Judentum sollte als eine Religion wie jede andere betrachten werden und reine Privatsache sein. Eine Taufe, um seine Karrieremöglichkeiten zu verbessern, lehnte Riesser im Vergleich zu vielen seiner Zeitgenossen entschieden ab.

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Emanzipation: Dieser Begriff meint so etwas wie „Befreiung“ oder auch „Gleichstellung“, hauptsächlich von Personengruppen, die rechtlich benachteiligt werden.
Die jüdische Emanzipation beschreibt die Entwicklung von Jüdinnen und Juden von einer sozialen und religiösen Randgruppe zu rechtlich gleichgestellten Mitgliedern einer Gesellschaft.

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In der Nationalversammlung in der Paulskirche in Frankfurt am Main saßen 585 Abgeordnete, die mehrheitlich Akademiker aus dem Bürgertum waren: Professoren, Richter, Anwälte, Ärzte, Schriftsteller, Journalisten und Gymnasiallehrer. An der Nationalversammlung nahmen neun Juden teil oder wurden als Ersatzmänner berufen. Darunter war auch Gabriel Riesser.

Als Vertreter der Liberalen arbeitete Riesser in mehreren Ausschüssen und war für einige Monate einer ihrer Vizepräsidenten. An der Ausarbeitung der Verfassung war er aktiv beteiligt. Er formulierte darin den Paragrafen 146, der die Gleichheit aller Bürger, unabhängig ihrer Religion, festschrieb: „Durch das religiöse Bekenntnis wird der Genuss der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte weder bedingt noch eingeschränkt.“
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Gabriel Riesser sprach sich für einen deutschen Nationalstaat aus, in dem die jüdische Bevölkerung gleichberechtigt leben sollte – ohne dabei ihre religiösen Ansichten aufgeben zu müssen.

Diese Position verteidigte er im August 1848 in einer viel beachteten Parlamentsrede gegen den Rechtsprofessor Moritz Mohl, der auch im künftigen deutschen Staat die alten Einschränkungen für Jüdinnen und Juden durch eine gesonderte Gesetzgebung bestehen lassen wollte. Riesser überzeugte die Mehrheit der Abgeordneten.
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Auszüge aus Mohls Rede in der Frankfurter Nationalversammlung am 28. August 1848:

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„Meine Herren! Es ist mir gemütlich schwer geworden, diesen Antrag zu stellen; ich aber halte ihn für eine heilige Pflicht gegen das deutsche Volk. Es gibt gewiss kein größeres Unglück – wir Alle werden es mit größter Teilnahme fühlen – es gibt gewiss kein schmerzlicheres Unglück, als sein Vaterland verloren zu haben. Dieses Unglück ist das der über die ganze Welt zerstreuten Israeliten [Eine Stimme aus dem rechten Zentrum: Nein!]. Erlauben Sie mir, die Israeliten gehören vermöge ihrer Abstammung, das wird Niemand ableugnen, dem deutschen Volk nicht an. Und sie können demnach ganz und vollkommen niemals angehören. [Oh!] Nicht ihre Religion ist es, die sie daran verhindert, sondern die Unmöglichkeit der Familienvermischung ist es, und diese Unmöglichkeit hat allerdings einen religiösen und einen kirchlichen Grund.
[…]
Ich will damit keineswegs sagen, dass die Gemeinsamkeit der Sprache, dass die Gemeinschaft des Landes nicht die Israeliten bis zu einem gewissen Grade zu Deutschen macht; aber vollständig können und werden die Israeliten zu einem deutschen Stamme wegen dieser historisch gegebenen Verhältnisse und allerdings auch der religiös-gegebenen niemals werden.
Wenn es sich nur von den politischen Rechten handelte. So wäre die Frage viel einfacher. Gewiss niemandem wird es einfallen, das aktive und passive Wahlrecht der Israeliten beanstanden zu wollen. Wir werden uns im Gegenteil nur freuen, wenn Israeliten,  – wie dies ja häufig der Fall ist, – so sehr das Vertrauen des deutschen Volkes genießen, dass sie das deutsche Volk zu seinen Vertretern wählt.
[…]
Wenn wir heute alle Schacher- und Sack-Juden, alle israelitischen Viehversteller, alle mit wucherlicher Aussaugung der armen Bauern beschäftigten Juden für vollberechtigte Staatsbürger erklären, so wird jene nachteilige Einwirkung auf das deutsche Volk damit keineswegs verwischt, vielmehr gewinnen dieselben dann nur ein freieres Feld, um ihre nachteilige Einwirkung auf das deutsche Volk recht ungehindert und vollkommen betreiben zu können. Wir wollen human sein gegen die Israeliten, unsere erste Pflicht ist gegen das deutsche Volk.
[…]
Aber der Hauptgrund der von mir erörterten Übelstände liegt gleichwohl in ganz anderen Verhältnissen: er liegt darin, dass der israelitische Volksstamm sich mit dem deutschen Volke nicht verschmilzt, sich mit demselben nicht identifiziert und nicht identifizieren kann, vermöge seiner religiösen Verhältnisse […] Das ganze Leben, die ganze Richtung und Beschäftigung der Israeliten in den unteren Volksschichten ist eine volksverderbliche [...]. Den alten Juden in den unteren Volksschichten machen sie nicht anders, und je mehr man ihn von allen Fesseln befreit, umso leichter wird er es haben, das Volk auszubeuten.“

Aus: Riesser/Mohl, Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der deutschen constituierenden Nationalversammlung, hrsg. von Franz Wigard, Bd. 3, Frankfurt 1848, S. 1754 – 1757.
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Auszüge aus Riessers Rede in der Frankfurter Nationalversammlung am 29. August 1848:

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„Meine Herren! [...] Ich nehme das Recht in Anspruch, vor Ihnen aufzutreten im Namen einer seit Jahrtausenden unterdrückten Klasse, der ich angehöre durch Geburt, und der ich – denn die persönliche Überzeugung gehört nicht hierher – ferner angehöre durch das Prinzip der Ehre, das es mich hat verschmähen lassen, durch einen Religionswechsel schnöde versagte Rechte zu erwerben [Bravo!]. Im Namen dieser unterdrückten Volksklasse gegen gehässige Schmähungen vor Ihnen das Wort zu ergreifen, dieses Recht nehme ich in Anspruch [Stimmen: Sehr gut!] Der geehrte Vorredner hat seinen Antrag in eine Unwahrheit gefasst: Er will nämlich den israelitischen Volksstamm durch Ausnahmegesetze von dem für alle gleichen Rechte ausgeschlossen haben. Sie haben nun durch einen feierlichen Beschluss [im Juli 1848 die Sorben] den nicht deutschredenden Volksstämmen, die in Deutschland leben, Gleichheit vor dem Gesetz, Gleichheit der Rechte, Gleichheit alles Dessen, was den Deutschen Deutschland teuer macht, zugesichert. Sollen wir Juden es für unser Unglück erachten, dass wir deutsch reden? Sollen wir darum schlechter behandelt, soll die Freiheit uns vorenthalten werden dürfen, weil wir nicht in die Kategorie nicht deutsch redender Volksstämme gehören?“
[…]
Ich selbst habe unter den Verhältnissen der tiefsten Bedrückung gelebt, und ich hätte bis vor kurzem in meiner Vaterstadt nicht das Amt eines Nachwächters erhalten können. Ich darf es als ein Werk, ich möchte sagen, als ein Wunder des Rechts und der Freiheit betrachten, dass ich befugt bin, hier die hohe Sache der Gerechtigkeit und Gleichheit zu verteidigen ohne zum Christentum übergegangen zu sein […]. Ich glaube nicht, dass es möglich ist, gleiche Rechte zu geben für aktive und passive Wählbarkeit, für das hohe Werk der Gesetzgebung, so lange noch die verletzendsten Ausnahmegesetze in niederen Sphären bestehen.
[…]
Die Juden werden immer begeisterte und patriotische Anhänger Deutschlands unter einem gerechten Gesetz werden. Sie werden mit und unter den Deutschen Deutsche werden. [...] Glauben Sie nicht, dass sich Ausnahmegesetze machen lassen, ohne dass das ganze System der Freiheit einen verderblichen Riss erhalten, ohne dass der Keim der Verderbnis in dasselbe gelegt würde. Es ist Ihnen vorgeschlagen, einen Teil des deutschen Volkes der Intoleranz, dem Hasse als Opfer hinzuwerfen; das werden Sie nimmermehr tun, meine Herren.“

Aus: Riesser/Mohl, Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der deutschen constituierenden Nationalversammlung, hrsg. von Franz Wigard, Bd. 3, Frankfurt 1848, S. 1754 – 1757.
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Eintritt in den Staatsdienst

Nach dem Scheitern der Revolution kehrte Riesser nach Hamburg zurück und nahm seine Arbeit als Notar wieder auf. Unermüdlich setzte er sich für die Gleichstellung der Juden ein, die er in seiner Heimatstadt noch erleben sollte. 1859 erhielt Hamburg eine neue Verfassung und Riesser konnte dort das Bürgerrecht erwerben. Riesser wurde in die Hamburger Bürgerschaft gewählt, deren Vizepräsident er zeitweilig war. 1860 folgte der Eintritt in den Staatsdienst. Er wurde zum Mitglied des Hamburgischen Obergerichts ernannt – und somit zum ersten Richter jüdischen Glaubens in einem deutschen Staat. Riesser starb drei Jahre später, am 22. April 1863 in Hamburg. Doch die Aufnahme in den Staatsdienst, die Riesser in Hamburg gelang, blieb noch Jahrzehnte eine Ausnahme.

Ein Wegbereiter in neue Berufswelten

Eine Karikatur in der Hamburger Zeitung „Reform“ über Riessers Wahl ins Obergericht 1860. Die Unterzeile lautet: „Nun, das ist nicht zu streiten, der macht ein großes Loch. Da können nun bald mehr hindurch!“

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Ausstellungsraum 3

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Walther Rathenau

Walther Rathenau kam am 29. September 1867 in Berlin zur Welt. Er war Sohn des deutsch-jüdischen Unternehmers Emil Rathenau, dem Gründer der „Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft“, kurz „AEG“.

Walther Rathenau war Teil des deutsch-jüdischen Bürgertums und akademisch umfassend gebildet. Er studierte Chemie, Physik, Maschinenbau und Philosophie. Darüber hinaus malte er, schrieb Gedichte, spielte Klavier und entwarf sein Haus selbst.

Rathenau faszinierte die Menschen, die ihn kennenlernten und war ein begehrter Gesellschafter. Zugleich war er ein einsamer Mensch, der enge Verbindungen mied. Weder hatte er eine Gefährtin noch gründete er eine Familie.
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Leistungsträger der Gesellschaft

Als Walther Rathenau aufwuchs, stieg das Deutsche Kaiserreich zu den führenden Industrienationen der Welt auf – auch dank seiner Chemie- und Elektroindustrie. Elektrische Energie konnte als Energiequelle für Beleuchtungen und den Antrieb von Maschinen genutzt werden. Walthers Vater Emil (vorne links) gründete in den 1880er-Jahren die „Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft“ (AEG), einen erfolgreichen Elektrokonzern. Auf dem Foto aus dem Jahr 1911 posierte er mit dem US-amerikanischen Erfinder Thomas Alva Edison vor einer Turbine in einem Werk der AEG.

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Trotz seiner Leidenschaft für die Kunst trat Walther Rathenau in das Unternehmen seines Vaters ein und hatte schnell Führungspositionen inne. Nach dem Tod seines Vaters stieg Rathenau 1915 zum Präsidenten des Unternehmens auf, doch als Nachfolger war er nicht bestimmt.

Rathenau bekleidete als Industrieller über 80 Aufsichtsratsposten. Daneben schrieb er Arbeiten zu politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Zeitfragen. 1897 veröffentlichte er den umstrittenen Aufsatz „Höre Israel“. Rathenau setzte sich darin mit dem Verhältnis von Juden und Nichtjuden im Deutschen Kaiserreich auseinander. Er forderte die deutschen Juden auf, sich vollständig in die Gesellschaft zu integrieren.

Rathenau, und mit ihm der Großteil der Jüdinnen und Juden des Deutschen Kaiserreichs, verstanden sich vor allem als Deutsche, die nur einer anderen Religion angehörten als die christliche Mehrheit.
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Auf der Suche nach seinem Standort in der Gesellschaft

Aber dieses Selbstverständnis wurde auch in Rathenaus Leben schon früh erschüttert. Obwohl er im Garderegiment des deutschen Kaisers gedient hatte, war ihm wegen seiner jüdischen Herkunft die Beförderung zum Offizier versagt worden.

Walther Rathenaus jüdische Herkunft

Seine Erfahrungen von Diskriminierung und Ausgrenzung im Deutschen Kaiserreich beschrieb er so: „In den Jugendjahren eines jeden deutschen Juden gibt es einen schmerzlichen Augenblick, an den er sich zeitlebens erinnert: wenn ihm zum ersten Male voll bewusst wird, dass er als Bürger zweiter Klasse in die Welt getreten ist und keine Tüchtigkeit und kein Verdienst ihn aus dieser Lage befreien kann.“

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Mit Beginn des Ersten Weltkriegs war auch die AEG an der Rüstungsproduktion des Deutschen Kaiserreichs beteiligt. Walther Rathenau bekleidete einen wichtigen Posten, den er selbst angeregt hatte: Als Leiter der Kriegsrohstoffabteilung organisierte er die Versorgung der Rüstungsindustrie mit kriegswichtigen Rohstoffen. Aus seiner Sicht war das Deutsche Kaiserreich wirtschaftlich schlecht auf den Krieg vorbereitet. Nach wenigen Monaten im Amt folgte 1915 der Rücktritt. In dieser Zeit war Rathenau aufgrund seiner jüdischen Herkunft oft das Ziel antisemitischer Anfeindungen.

Das Foto zeigt Mitarbeiterinnen der Königlichen Munitionsfabrik in Berlin-Spandau zur Zeit des Ersten Weltkriegs.
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Eine Aufnahme Walther Rathenaus aus seiner Zeit als Wiederaufbauminister während einer Besprechung mit dem französischen Minister Louis Louchheur 1921
Eine Aufnahme Walther Rathenaus aus seiner Zeit als Wiederaufbauminister während einer Besprechung mit dem französischen Minister Louis Louchheur 1921
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Walther Rathenau kehrte in die Politik zurück, als die demokratische Ordnung der Weimarer Republik durch Umsturzversuche von rechts und links in ihrer Existenz bedroht war. Er war Mitglied der linksliberalen und bürgerlichen „Deutschen Demokratischen Partei“ (DDP).

Ab Mai 1921 war Rathenau im Kabinett von Reichskanzler Joseph Wirth Wiederaufbauminister. Dafür gab er alle Ämter in der Wirtschaft auf. Er trat für einen Ausgleich mit den Siegermächten des Ersten Weltkriegs ein, um so die Undurchführbarkeit des Versailler Vertrages zu beweisen und die Kriegsentschädigungen zu reduzieren, die der deutsche Staat zu zahlen hatte.  

Mit dieser sogenannte Erfüllungspolitik erzielte Rathenau erste Erfolge, doch die politische Öffentlichkeit war gespalten: Liberale und Sozialdemokraten unterstützten mehrheitlich seinen Kurs, Konservative lehnten sie ab.

Für nationalistische und rechtsradikale Kreise war Rathenau ein doppelter Feind: Er trat für eine Verständigung mit den ehemaligen Kriegsgegnern und die Umsetzung des Versailler Vertrages ein. Sie beschimpften ihn als einen von den Siegermächten gesteuerten „Erfüllungspolitiker“ – und weil er Jude war.

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Versailler Vertrag: Versailles bei Paris war der Ort, an dem Vertreter der Siegermächte des Ersten Weltkriegs die Nachkriegsordnung aushandelten. Deutsche Vertreter durften nicht teilnehmen. Das ehemalige Deutsche Kaiserreich musste ein Siebtel seines Territoriums mit einem Zehntel seiner Bevölkerung und seinen gesamten Kolonialbesitz abtreten. Heer und Kriegsgeräte wurden stark reduziert. Die Verantwortlichkeit für den Krieg schrieb der Vertrag dem Deutschen Kaiserreich und seinen Verbündeten zu. Damit wurden die Reparationsforderungen an die Siegermächte gerechtfertigt. Die Bestimmungen des Versailler Vertrags empfand ein Großteil der deutschen Öffentlichkeit und Politiker aller Parteien als hart und ungerecht, besonders wegen des „Kriegsschuldartikels“.
Eine Aufnahme Walther Rathenaus aus seiner Zeit als Wiederaufbauminister während einer Besprechung mit dem französischen Minister Louis Louchheur 1921
Eine Aufnahme Walther Rathenaus aus seiner Zeit als Wiederaufbauminister während einer Besprechung mit dem französischen Minister Louis Louchheur 1921
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Im Februar 1922 übernahm Walther Rathenau in der zweiten Regierung von Joseph Wirth das Amt des Außenministers. Für Aufsehen sorgte der Vertrag von Rapallo im April 1922 zwischen der Weimarer Republik und Sowjetrussland. Beide Staaten durchbrachen damit ihre außenpolitische Isolation. Für die junge deutsche Republik war es der Beginn einer eigenständigen Außenpolitik.

Aber seine Mutter und Freunde hatten große Sorge um Rathenaus Leben, denn auf jüdische Politiker waren in der Vergangenheit gezielt Anschläge verübt worden. Auch Rathenau erhielt Drohungen. Die Polizei drängte ihn vergeblich, sich von Leibwächtern schützen zu lassen. Das Foto zeigt Rathenau auf dem Rücksitz seines Wagens kurz vor seiner Ermordung am 24. Juni 1922.
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Am 24. Juni 1922 erschossen Mitglieder der rechtsradikalen „Organisation Consul“ Walther Rathenau auf dem Weg ins Außenministerium in seinem offenen Wagen. Seine Ermordung erschütterte die Republik bis weit ins konservative Bürgertum. Millionen Menschen versammelten sich in den kommenden Tagen zu Protesten – um Rathenau zu gedenken und für den Erhalt der Republik zu demonstrieren.

Reichspräsident Friedrich Ebert veranlasste eine Verordnung zum Schutz der Republik. Reichskanzler Joseph Wirth hielt einen Tag nach der Ermordung Rathenaus im deutschen Reichstag eine emotionale Gedenkrede. Auf diesem Foto steht Wirth am Rednerpult. Die Rede endete mit dem Satz: „Da steht der Feind, der sein Gift in die Wunden eines Volkes träufelt. – Da steht der Feind – und darüber ist kein Zweifel: dieser Feind steht rechts!“
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Jüdisches Leben in Deutschland heute

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Der Zentralrat der Juden in Deutschland ist heute die größte Dachorganisation der jüdischen Gemeinden in Deutschland. Ihm gehören zurzeit 23 Landesverbände, 105 jüdische Gemeinden und etwa 100 000 Mitglieder an.

Der Zentralrat vertritt ihre Interessen gegenüber der Politik auf Bund- und Länderebene. Um die Arbeit des Zentralrats zu unterstützen, schloss die Bundesrepublik 2003 mit ihm einen Staatsvertrag. Der Zentralrat organisiert für die jüdischen Gemeinden viele Projekte, besonders in den Bereichen Bildung und Kultur. Damit möchte er jüdisches Leben in Deutschland weiter stärken und den Dialog zwischen Juden und Nichtjuden vertiefen. 

Darüber hinaus fördert der Zentralrat Engagement gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus, und erhebt dagegen in der Öffentlichkeit auch seine Stimme. 2020 feierte der Zentralrat sein 70-jähriges Bestehen. Amtssitz ist seit 1999 das Leo-Baeck-Haus in Berlin.
Ich bin damit einverstanden, dass mir YouTube Videos gezeigt werden. Mehr Informationen
Ein Video informiert über die Geschichte des Zentralrats der Juden in Deutschland (hochgeladen am 2. Dezember 2020 von „Zentralrat der Juden in Deutschland“).

Um externe Dienste auszuschalten, hier Einstellungen ändern.

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Toni Sender

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Toni Sender

Sidonie Zippora Sender, die sich später „Toni“ nannte, kam am 29. November 1888 in Wiesbaden-Biebrich zur Welt. Sie stammte aus einem jüdisch-bürgerlichen Elternhaus. Ihr Vater, Moritz (Moses) Sender, war Kaufmann und Vorsitzender der jüdischen Gemeinde, deren Mitgliederzahl etwa einen Prozent der Gesamtbevölkerung Biebrichs ausmachte.

Früh unabhängig

Sender war 13 Jahre alt, als sie nach dem Besuch der Schule ihr Elternhaus verließ, um in Frankfurt am Main eine Handelsschule für Mädchen zu besuchen. Nach ihrer kaufmännischen Ausbildung arbeitete sie zunächst in einer Immobilienfirma. Nebenher bildete sie sich politisch weiter. Sie nahm unter anderem an Demonstrationen für das allgemeine und gleiche Wahlrecht teil und trat der SPD bei.
Erwerbstätigkeit und Rebellion gegen die traditionelle Rolle der Frau als Hausfrau und Mutter waren in der bürgerlichen Gesellschaft des Deutschen Kaiserreichs möglich, aber auch ungewöhnlich. Toni Sender wollte unabhängig sein.

Keine Zeugnisse aus Kindheit und Jugend

Eine Bildpostkarte Toni Senders aus dem Jahr 1930. Die Abkürzung „M.d.R.“ steht für „Mitglied des Reichstags“. Fotografien und Zeugnisse aus Senders Kindheit und Jugend sind nicht bekannt, da die Familie vor den Nationalsozialisten fliehen musste. Ihr Vater verstarb 1929.

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Bei ihrem neuen Arbeitgeber, der Frankfurter Metallhandelsfirma „Beer und Sondheimer“ wechselte Toni Sender 1910 in die Pariser Filiale. In Paris schloss sie sich der Sozialistischen Partei an. Sie setzte sich für die Interessen der Arbeiterklasse, eine europäische Friedenspolitik und die Einführung des Frauenwahlrechts ein.

Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs musste Sender nach Frankfurt zurückkehren. Aus Protest gegen die Zustimmung der SPD zu den Kriegskrediten trat sie aus der Partei aus. Sender war Gründungsmitglied der „Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands“ (USPD), die sich 1917 von der SPD abspaltete.

In der USPD hatte sie rasch Erfolge: als begabte Rednerin, als Mitglied der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung und als Redaktionsleiterin des USPD-Blattes „Volksrecht“. Toni Senders Karriere als Berufspolitikerin begann.
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Ein Flugblatt zur Reichstagswahl am 6. Juni 1920 für den Wahlkreis Hessen-Nassau
Ein Flugblatt zur Reichstagswahl am 6. Juni 1920 für den Wahlkreis Hessen-Nassau
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„Frauen, Mütter!
Wählt am Sonntag die Liste Toni Sender!

Ohnmächtig wart ihr während des Krieges! Schweigend habt Ihr
dulden müssen, dass Eure Männer, Eure Söhne, Eure Brüder gequälte, geschundene Opfer wurden des militaristischen, imperialistischen und kapitalistischen Wahnsinns der herrschenden Gewalten! Bedenkt, nicht nur Wilhelm II., Hindenburg und Ludendorf allein waren es, die das Massensterben, die körperlichen und seelischen Qualen Millionen blühender Volksgenossen auf dem Gewissen haben, sondern alle die Parteien, die 4 ½ Jahre lang dem Moloch „Krieg“ die Mittel bewilligten, die sich zu Schleppträgern […] degradieren ließen.  

Nur die

Unabhängige Sozialdemokratische Partei  

hat den flammendsten Protest der Frauen, der Mütter gegen die systematische Ausrottung ihres Fleisches und Blutes Ausdruck verliehen.  

Bekundet Ihr Eure Sympathie und Euren entschlossenen Willen, in Zukunft Eure Lieben zu schützen vor gleichem Verderben, indem Ihr geschlossen eintretet für die auf der Liste der USPD an erster Stelle stehende Kandidatin  

Toni Sender.  

Sie ist die Frau, die gewillt ist, einzutreten für die heiligen Rechte der Frauen, der Mütter!
Ein Flugblatt zur Reichstagswahl am 6. Juni 1920 für den Wahlkreis Hessen-Nassau
Ein Flugblatt zur Reichstagswahl am 6. Juni 1920 für den Wahlkreis Hessen-Nassau
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Gewählte Volksvertreterinnen

Sozialdemokratinnen im deutschen Reichstag 1925. Die SPD stellte zu dieser Zeit den größten Frauenanteil aller Parteien im Parlament. Toni Sender, vorn links sitzend im Bild, gehörte mit 37 Jahren zu den jüngsten.

Eine Karriere in der Spitzenpolitik

1920 zog die Politik Toni Sender nach Berlin: Als Spitzenkandidatin der USPD wurde sie im Wahlkreis Hessen-Nassau in den Deutschen Reichstag gewählt. Als sich SPD und USPD 1922 wiedervereinigten, nahm Sender ihr Mandat erneut für die SPD wahr. Sie zählte zum linken Flügel der Partei. Abgeordnete des Reichstags blieb sie bis 1933.

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Toni Sender widmete ihr Leben der Politik. Als Vertreterin der SPD ist sie in den Ausschüssen für Wirtschaft und Außenpolitik tätig. Das Foto zeigt sie als einziges weibliches Mitglied einer SPD-Expertengruppe, die 1929 an einem Konzept für eine demokratische Armee arbeitet.

Sender war auch Gewerkschafterin und schrieb Hunderte von Beiträgen für sozialdemokratische Zeitungen und Zeitschriften. 1928 wird sie Chefredakteurin der sozialdemokratischen Zeitschrift „Frauenwelt“.

Sender wollte Frauen dazu bringen, sich aus ihrer Abhängigkeit und Diskriminierung zu befreien: „Ihr Frauen und Mädchen des arbeitenden Volkes, es ist uns kein Erlöser geboren! Selber müssen wir unser Leben gestalten, uns mit eigener Kraft emporarbeiten aus dem Dunkel. Jetzt endlich hat man die Hemmnisse vergangener politischer Sklaverei aus dem Weg geräumt – unsere wirtschaftliche Befreiung können und müssen wir uns selbst erkämpfen!“
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Toni Senders Leben als Jüdin und Klassenkämpferin war doppelt bedroht, als die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 an die Macht kamen. Im Reichstag fiel sie als Gegnerin von Kommunismus und Nationalsozialismus auf.

Nach dem Reichstagsbrand floh Sender im März 1933 über die Tschechoslowakei und Belgien in die USA. Das Land hatte sie schon in den 1920er-Jahren bereist. Sie blieb dauerhaft und erhielt 1943 die US-amerikanische Staatsbürgerschaft – in Gedanken war sie aber oft in ihrer alten Heimat.

Sender setzte in den USA ihre politische Arbeit fort. In Vorträgen und Artikeln klärte sie über die Situation im nationalsozialistischen Deutschen Reich auf. In den USA fand sie auch zum Judentum. Sie engagierte sich in jüdischen Organisationen und warb nach den Novemberpogromen im Deutschen Reich 1938 dafür, deutschen Jüdinnen und Juden die Einreise in die USA zu ermöglichen.

Ab 1944 arbeitete Sender in Expertengruppen der Vereinten Nationen (UN), etwa in der „Kommission für die Rechtsstellung der Frau“ und in der „Menschenrechtskommission“. Toni Sender starb 1964 in New York. In ihren letzten Lebensjahren schloss sie sich der jüdischen Gemeinde an.
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Jüdisches Leben in Deutschland heute – Antisemitismus

„Für Juden in Deutschland ist Antisemitismus alltäglich geworden. Vor allem im Internet schlägt uns ungehemmter Hass entgegen.“ – Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland („Antisemitismus ist Alltag geworden“, Artikel der „Jüdischen Allgemeine“, 27. Mai 2020)  

In der jährlichen Polizeistatistik werden viele Straftaten gegen hier beheimatete Jüdinnen und Juden sowie gegen jüdische Einrichtungen als „politisch motiviert“ oder als „Protest gegen die Politik Israels“ erfasst. In den letzten Jahren haben verbale Angriffe auf Jüdinnen und Juden und Angriffe auf offener Straße zugenommen.

Die Anzahl der gemeldeten Vorfälle steigt – viele werden aber nicht angezeigt. Die Gründe sind vielfältig. Nach einer Studie der EU zu „Diskriminierung und Hasskriminalität gegenüber Jüdinnen und Juden“ (2019) gaben 39 Prozent der Befragten an, in den letzten fünf Jahren Opfer von antisemitischer Belästigung gewesen zu sein. Die Mehrheit, fast 80 Prozent, meldete die Vorfälle nicht bei der Polizei. Nahezu die Hälfte meldete sie nicht, da sie das Gefühl hatte, dass sich dadurch nichts ändern würde, oder sie den Vorfall als nicht schwerwiegend genug empfand.

Antisemitismus ist allgegenwärtig, etwa in Raptexten, die den Holocaust verharmlosen, Beleidigungen sowie Bedrohungen im Alltag oder auch dann, wenn auf Demonstrationen antisemitische Parolen gerufen werden.
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Die Statistik bildet antisemitische Straftaten ab, die aus einer politischen Motivation heraus begangen werden. Sie sind im Vergleich zum Vorjahr um 16 Prozent gestiegen.

Die Statistik erfasst nur Straftaten, die zur Anzeige gebracht und strafrechtlich verfolgt wurden. Die Dunkelziffer von antisemitischen Vorfällen dürfte noch höher sein. Der hohe Anteil der Straftaten, die rechts motiviert sind, kommt unter anderem zustande, da hier alle fremdenfeindlichen und antisemitischen Straftaten erfasst werden, die einen Bezug zum Nationalsozialismus erkennen lassen, etwa die Nutzung von NS-Symbolen. 

Ab 2017 wird in der Statistik zwischen politisch motivierter Kriminalität mit „ausländischer“ und „religiöser Ideologie“ unterschieden. Der „ausländischen Ideologie“ werden alle Straftaten zugeordnet, bei denen davon auszugehen ist, dass eine aus dem Ausland stammende nichtreligiöse Weltanschauung der Tat zugrunde liegt – unabhängig von einer Staatsangehörigkeit.
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Wie verbreitet sind antisemitisches Gedankengut und antisemitische Einstellungen in der deutschen Gesellschaft? In einer Umfrage des Jüdischen Weltkongresses von August 2019 bestätigten fast 80 Prozent die Aussage, dass Jüdinnen und Juden genau so sind wie alle anderen Menschen. Aber 25 bis 40 Prozent stimmten auch antisemitischen Aussagen und Vorurteilen zu.
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In einem Bericht aus dem Jahr 2018 spricht die Autorin und Bloggerin Juna Grossmann über Antisemitismus im eigenen Alltag und wie er sich im Leben von Jüdinnen und Juden in Deutschland äußert. Auch der Restaurantbesitzer Yorai Feinberg spricht über seine Erfahrungen.
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„Jüdisches Leben in Berlin: Der tägliche Antisemitismus“ (hochgeladen am 13. November 2018 von „Der Tagesspiegel“, neu hochgeladen am 12.10.2022).

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Am 9. Oktober 2019, am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur, verübte ein Rechtsextremist in Halle einen Terroranschlag auf die Synagoge. Er versuchte, in das Gebäude einzudringen, um sämtliche versammelten Menschen zu ermorden.

Der versuchte Massenmord scheiterte nur, da es ihm nicht gelang, in die Synagoge einzudringen. Er erschoss eine Passantin vor dem Gebäude und auf seiner Flucht einen weiteren Menschen. Vor seiner Tat veröffentlichte der Täter sämtliche Informationen zum geplanten Anschlag im Internet und übertrug seine Tat per Livestream.  

Der Anschlag erschütterte die deutsche Gesellschaft und rückte die Bedrohung von Antisemitismus erneut in den Fokus der Öffentlichkeit. Wie nahmen Jüdinnen und Juden den Anschlag und die darauffolgende Aufmerksamkeit wahr?
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„Zu Jom Kippur schalten Jüd*innen ihr Handy aus und nutzen keine Elektrizität. Das habe ich gestern auch getan. Im Laufe des Gebets hat mich eine Bekannte nach dem Attentat gefragt, aber erst am Abend nach Jom Kippur habe ich mehr dazu erfahren. Ich finde es falsch, diese Tat als eine Einzeltat oder Überraschung darzustellen, denn der Antisemitismus ist in den vergangenen Jahren gewachsen, es gab schon viele rechtsradikale Anschläge und viele Attentäter*innen. […] Es reicht nicht zu sagen: ‚Wir sind bestürzt.‘ Mit tatenlosen Solidaritätsbekundungen kann ich mittlerweile wenig anfangen.

Ich bin damit aufgewachsen, dass jüdische Institutionen selbstverständlich bewacht werden, dass vor jeder jüdischen Institution, ob Kindergarten oder Synagoge, Sicherheitspersonal steht. […] Das Wichtigste ist, dass wir keine Angst haben. Angst macht fahrlässig, aber wir müssen achtsam sein. Ich will mich nicht wegekeln lassen aus meinem Heimatland. Gleichzeitig kann ich verstehen, wenn jüdische Menschen sich unsicher fühlen und enttäuscht sind. Für mich ist Wegziehen keine Lösung. Auch wenn an einem Tag wie heute die Rede nur von dieser Tat ist, bewegt uns mehr als Antisemitismus.“

„Junge Jüdinnen nach Anschlag in Halle: ‚Ich will mich nicht wegekeln lassen aus meinem Land‘“, Artikel vom 10. Oktober 2019 von ze.tt
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